Glühende Leidenschaft
Sänfte gar nicht bemerkt, obwohl sie eine teuer aussehende, pelzbesetzte Jacke und einen großen, federgeschmückten Hut trug. Die ausladende Kleidung begrub ihre dünne, bleiche Gestalt fast unter sich. Wenn der Graf immer sämtlichen verfügbaren Raum für sich einnahm, dann beanspruchte diese Cousine Daphne weit weniger, als ihr eigentlich zustand.
Aber warum hatte die Stimme des Grafen dann einen so scharfen Unterton?
Die Frau hob das Kinn an, ihre bleichen Lippen zitterten. »Wieso sollte ich denn nicht hier sein?« Sie zog die linke Hand aus ihrem riesigen Pelzmuff und zeigte einen altmodischen Ring mit einem großen Smaragd. »Immerhin trage ich den Verlobungsring der Torrances.«
Meg blieb fast die Luft weg, doch ihr Ehemann erklärte: »Ich bin nicht und war auch nie mit ihr verlobt.«
»Wir sollten heute heiraten!«, erklärte Cousine Daphne.
»Da irrst du dich.«
»Das war schon immer klar. Die Herzogin hat gesagt …«
»Gelegentlich unterläuft sogar der Herzoginwitwe von Daingerfield ein Irrtum. Pringle …«
»Schürzenjäger!«, fuhr die Herzogin dazwischen. »Du hast mit Daphne schon in der Wiege gespielt.«
»Falls ich etwas Unanständiges getan habe, war das die Schuld meines Kindermädchens. Pringle …«
»Saxonhurst!«, kreischte Daphne, und die Röte schoss ihr ins Gesicht. »Du widerlicher Kerl!«
»Du liebe Güte, Daphne« – wieder starrte er durch sein Lorgnon auf sie –, »du bist ja ganz rot im Gesicht. Was habe ich dir denn angetan in der Wiege? Ich muss schon sagen, es ist fast eine Ehre für mich, so frühreif gewesen zu sein.«
»Du gemeiner Schuft!«
Meg war entsetzt. »Mylord …!«
»Sei still!«, schnauzte er. »Pringle, ich bin es nicht gewöhnt, ignoriert zu werden.«
»Mylord!« Der Butler nahm fast militärische Haltung an. »Sie wollen, dass die Herzogin umzieht?«
»Ich dachte, das hätte ich schon vor einer Weile deutlich gemacht.«
Die Herzogin starrte ihn so unverwandt an wie er sie. »Ich lasse nicht zu, dass du mich aus dem Haus wirfst, Frederick.«
»Sie hat ihre Kutschen weggeschickt, Mylord.«
»Dann nehmt meine.«
»Ich lasse mich nicht hinauswerfen. Ihr rührt euch nicht von der Stelle!«, wies die Herzoginwitwe ihre Träger an.
»Benutzt alle meine Kutschen, wenn es sein muss«, befahl der Graf. »Schafft das Gepäck hinaus, und dazu die Herzogin und Lady Daphne.«
»Saxonhurst!«, schrie Lady Daphne. »Nicht einmal du kannst …«
»Das wirst du gleich sehen.«
»Mylord«, protestierte Meg. »Es ist Weihnachten …«
»Halt den Mund.«
Entsetzt rannte Meg zu den Zwillingen und legte schützend die Arme um sie. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, ihre Familie hierherzubringen?
Die Dienerschaft trat in Aktion und schaffte den Berg von Koffern aus dem Flur. Als auch die Sänfte hinausbefördert werden sollte, schlug die Herzogin die Tür zu und befahl ihren Trägern, loszugehen. Ihre Hand erschien einer Klaue gleich am Rand des abgesenkten Fensters, und Cousine Daphne stakte steif nebenher.
Als die Sänfte vorübergetragen wurde, starrte Daphne mit funkelnden Augen auf den Grafen. »Du bist einfach unmöglich, Saxonhurst.«
»Warum zum Teufel willst du mich dann heiraten?«
»Nur der Herzogin wegen. Du tust ihr schrecklich weh.«
»Du meinst, es gelüstet dich nicht nach meinem Körper? Nicht einmal nach all unseren fröhlichen Wiegenspielen?«
»Du bist widerwärtig!«
»Ich halte es für ziemlich unfair, mir meine infantile Technik anzulasten. Ich versichere dir, dass ich jetzt …«
»Ich werde mich nie mehr bei dir blicken lassen!« Sie wollte vorwärtsstürmen, doch der Graf hielt sie mit einer Geste auf und trat näher an die Sänfte.
»Darf ich hoffen, dass das auch für Sie gilt, Euer Gnaden?«
Die Herzoginwitwe blickte auf mit der Miene einer frühchristlichen Märtyrerin – einer von der strengeren Sorte. »Du bist meine heilige, mir anvertraute Pflicht, Frederick. Du wirst immer mit mir zu tun haben.«
Saxonhurst blickte plötzlich um sich, dann ergriff er Megs Hand und zog sie an seine Seite. »Ihr seid noch gar nicht richtig miteinander bekannt gemacht worden, nicht wahr? Minerva, Lady Saxonhurst, darf ich Ihnen die Mutter meiner Mutter vorstellen, die Herzoginwitwe von Daingerfield, und meine Cousine, Lady Daphne Grigg.«
Die Herzogin blickte zu Meg auf, und es sah aus, als würde sie wirklich seit Langem leiden. Meg konnte sie verstehen. Das Benehmen des Grafen war absolut nicht vertretbar. Er war zwar
Weitere Kostenlose Bücher