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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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hatte. Nun sah sie den Grund. Zwischen den Bronzeplättchen ragte ein Stück Holz heraus: der Rest eines abgebrochenen Pfeilschaftes.
    »Sieh nur, er ist im Kampf verwundet worden. Aber wieso haben ihm seine Kameraden nicht geholfen? Stattdessen lassen sie ihn einfach zurück?«
    »Wahrscheinlich sind sie zu betrunken zum Denken. Und wenn sie wieder nüchtern sind, wissen sie nicht mehr, in welcher Schenke sie ihn vergessen haben.«
    »Jemand muss ihnen nachlaufen. Er stirbt uns hier sonst.« Merit wandte sich ab und wollte sich erheben, da spürte sie einen Griff um ihr Handgelenk. Erschrocken starrte sie auf den Mann hinab. Er lag da wie zuvor, hatte die Augen nicht geöffnet, aber ihre Hand fest umschlossen. Seine Lippen formten fremdartige Worte.
    »Du … du musst Ägyptisch reden«, sagte sie überrascht.
    »Tu das nicht«, murmelte er fast unhörbar.
    »Aber weshalb denn nicht?«
    Er bewegte den Kopf hin und her, als kämpfe er darum, endlich aufzuwachen. Seine Finger erschlafften.
    »Tu es … nicht …«, wiederholte er, dann lag er still. Sie sprang auf und spähte in den Schankraum, wo Nanacht auf einer Bank lag und die Knie an den Leib gezogen hatte.
    »Nanacht!« Merit beugte sich zu ihr hinab und klopfte gegen ihre Wange. »Da ist noch ein Assyrer. Soll ich …«
    »Verschließ die Tür«, befahl die Wirtin müde, ohne die Augen zu öffnen.
    »Aber …«
    »Gehorche.«
    Merit huschte zur Tür und warf einen vorsichtigen Blick hinaus. Die Männer waren bereits entschwunden; in welche Richtung, wusste sie nicht zu sagen. Sie würde hinauslaufen müssen. Aber die Worte des Mannes ließen sie zögern. Als sie einen weiteren Trupp sich nähern sah, einen anderen, schlug sie hastig die Tür zu und schob den Riegel vor. Die Männer marschierten heran, allein ihre Schritte verströmten Macht, Gewalt, Unerbittlichkeit.
    Die Assyrer liefen vorüber. Merit kehrte in das Nebengelass zurück, wo Tani unschlüssig auf dem Boden kauerte. Der Fremde hatte sich offenbar nicht bewegt.
    »Sieh mal«, Merit kniete neben ihm und deutete auf einen zweifingerbreiten Reif an seinem Oberarm. Er war aus Bronze, darin eine geflügelte Sonne eingefügt. Wofür sie stand, wusste sie nicht. Auch die Ägypter verehrten dieses Symbol, jedoch stellten sie es viel feiner und eleganter dar. Hier war die Sonnenscheibe aus einem hellroten Achat gefertigt. »So einen Reif hat auch der Mann getragen, der unser Schiff überfallen hat.«
    »Vielleicht ist er es ja selbst.«
    »Unsinn.«
    »Seine Stimme klang ganz ähnlich.«
    Merit versuchte sich auf den anmaßenden Tonfall des Angreifers zu besinnen. Entschieden schüttelte sie den Kopf. »Nein. Der hier sieht ja auch anders aus. Eher wie ein Mensch. Der andere war ein Ungeheuer.« Und der hatte auch einen längeren und wilderen Bart gehabt, dessen war sie sich sicher. Die Strähnen dieses Mannes waren nicht einmal fingerlang. Die Kopfhaare indes wucherten ihm tatsächlich bis weit auf die Schultern.
    »Der ist auch eins«, sagte Tani düster. »Wie sie alle. Weshalb sonst verstecken sie ihre Gesichter? Zumindest werden sie äußerst hässlich sein.«
    Merit deutete auf eine Wange des Mannes. »Ein verblasster Tintenfleck. Ist das nicht seltsam? Lass uns nachschauen, ob er nicht doch menschlich ist.«
    »Wie denn?«
    »Nanacht muss doch Rasierzeug haben. Schau in ihrer Kammer nach.«
    »O nein, o nein«, wimmerte Tani, gehorchte aber nach einem auffordernden und kräftigen Klaps auf die Hüfte und lief durch den Schankraum. Merit schob sich auf den Knien von dem Assyrer fort, denn es war ihr nicht geheuer, mit ihm allein zu sein. Sie lauschte auf das Herumkramen der Dienerin und atmete erleichtert auf, als sie zurückkehrte, mit einem Krug Wasser, einem Fläschchen Öl und dem Rasiermesser.
    Tani kniete hinter seinem Kopf. »Soll ich das wirklich machen?«
    Ungeduldig nickte Merit. Sie selbst konnte das nicht, denn sie hatte sich noch nie eigenhändig rasiert. Tani nahm eine Bartsträhne zwischen die Finger und glitt mitder Schneide darüber. Angewidert warf sie die Strähne beiseite. »Gütige Isis, gütige Isis«, wisperte sie, während sie mit zittrigen Fingern fortfuhr, eine Strähne um die andere abzuschneiden. Sie arbeitete rasch, unentwegt ihre Furcht in sich hineinmurmelnd. Dann wischte sie angewidert die Handflächen über ihr Kleid.
    »Weiter«, drängte Merit. Bisher hatte sie noch kein Tierchen gesehen. Keinen Käfer, keine Schlange.
    Tani schüttelte einige Tropfen Öl auf

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