Glühende Lust
hinter ihm der König.
Mentuhotep sackte auf die Knie, sein Bauch wölbte sich und bebte. Die Augen – geweitet. Der Mund, aufgerissen. Er fiel vornüber auf die Ellbogen, starrte ihn, Nefertem, voller Schmerz an. Seine Schultern, gerötet von Peitschenstriemen, zitterten. »Ich füge mich«, heulte er unter Tränen.
Nein, dachte Nefertem entsetzt. Er stieß sich von Zakutu hoch. Das Kettchen behinderte ihn, hatte sich um seinen Fuß gewunden. Noch während er mit der Fessel kämpfte, sah er den Vater sich aufrappeln und mit gesenktem Kopf zur Tür wanken. Schon öffneten sich die Türflügel, entließen Mentuhotep, schlossen sich wieder. »Nein!«, schrie Nefertem. Endlich riss die Kette.
Er schwang sich hoch. Sofort baute sich Asarhaddon vor ihm auf. Nefertem duckte sich leicht, entschlossen, ihn beiseitezustoßen. Das würde ihm einen ähnlich zugerichteten Rücken wie den seines Vaters einhandeln, aber es war ihm gleichgültig.
»Lass ihn um der Götter willen endlich zu ihm gehen«, hörte er Zakutus müde Stimme. Asarhaddon trat zur Seite.
11 . K APITEL
»Wie du aussiehst, nackt und schmutzig!« Mentuhotep riss einen seiner Schurze aus einer Truhe und schleuderte ihn ihm entgegen, dass er an seinen Schenkeln hinunterfiel. »Und stinken tust du wie ein Stall!«
Nefertem schlang sich eilig das weiße Leinen um den Unterleib. Er war froh, den albernen Intimschmuck bedecken zu können. Am liebsten hätte er ihn heruntergerissen, würde dies nicht zusätzliche Aufmerksamkeit darauf lenken. Mit hängenden Schultern stand er vor seinem Vater. »Verstehst du denn nicht, dass sie es darauf angelegt haben? Dass du in genau jenem Moment da hineingehst?«
»Was ändert es an deiner verdorbenen Lust, dass ich hinzukam?« Mentuhotep schlurfte zu einem Zedernholztischchen, auf dem eine Schale mit Früchten und eine bronzene Kanne standen. Nefertem kannte dieses Zimmer nicht, es war wohl einer der vielen Ruheräume des Pharao und diente jetzt als Gefängnis für den Vater. Die hochgelegenen, von gemalten Weinranken umrahmten Fenster waren nicht verschlossen und auch nicht mit einem Gitter versehen worden, aber es war auch undenkbar, dass der beleibte Wesir unwürdig hinaufzuklettern versuchte. Der Raum lag fast im Dunkeln; eine Öllampe auf einem bronzenen Ständer lockte Motten heran. Mentuhoteps Hände waren unruhig, als er sich Wasser in einen Becher schenkte und es mitgroßen Schlucken trank. Dann hatte er sich etwas beruhigt.
»Ich hatte nie etwas dagegen, dass du dich mit den Sklavinnen austobst, die deiner ebenfalls nicht würdig waren – junge Männer tun solche Dinge. Aber dass du nicht einmal vor der Hure des assyrischen Königs haltmachst?« Hart stellte er den Becher ab. »Beherrschst du deinen Leib so wenig? Nichts, seit die Assyrer hier sind, war schlimmer als dieser Anblick eben. Nicht der tote Apis-Stier, nicht der Augenblick, als sie den Palast stürmten, ja, nicht einmal dies !« Er schlug sich auf die Schulter, wo rötliche Striemen schimmerten. »Hätte ich es vorher gewusst, hätte ich mir wenigstens die Peitsche ersparen können.«
»Wie meinst du das?«, fragte Nefertem verzweifelt. Es tat weh, den Vater gezüchtigt zu wissen. Solche Striemen sah man gelegentlich auf den Schultern drahtiger Sklaven, aber auf diesem weichen, üppigen Körper, der Wohlstand und Zufriedenheit ausstrahlte, wirkten sie grotesk.
»Dass es sich nicht zu kämpfen lohnt. Wenn du, mein Sohn, dich so voller Lust deinen Feinden hingibst, warum sollte ich störrisch bleiben? Was hat mein Weigern, Asarhaddon zu krönen, dann noch für einen Sinn?«
»Sieh doch.« Nefertem tastete nach dem Verschluss des Halsbandes, zerrte daran, bis er ihn aufspringen hörte, und schleuderte es zu Boden. »Glaubst du, so etwas trage ich freiwillig?«
Die Unmutsfalte auf der Stirn des Vaters wich einem Ausdruck von Entsagung. Tief seufzte Mentuhotep auf. Er sank auf einen Korbsessel neben dem Tischchen, tastete nach einem Tuch unter dem Polster und tupfte sich damit die Stirn. Die schwarzen Kohelstricheum seine Augen verwischten, als ihm einige Tränen hinabliefen. Nefertem hockte sich auf den Rand einer Liege, stützte die Ellbogen auf die Knie und barg das Gesicht in den Händen. Als er, getrieben vom Vater, über die Laufplanke auf die Barke gehastet war, hatte er sich nicht träumen lassen, dessen Leid später selbst noch zu vergrößern.
Es war erschreckend, welche Macht Zakutu über ihn besaß. Sie brauchte nur ihr Kleid zu
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