Glut der Gefuehle - Roman
ich nicht verstehe, Ma’am|... wenn Sie mein Verhalten billigen, warum haben Sie mich vorhin niedergeschlagen?«
»Er ist mein Sohn«, antwortete sie schlicht. »Manchmal fällt es mir schwer, geeignete Mittel und Wege zu finden, um ihn zu schützen. Und jetzt hoffe ich, er ist in Sicherheit, solange er sich nicht rühren kann.«
Zustimmend nickte er, ergriff den Arm Ihrer Ladyschaft und führte sie zu dem Sessel zurück. Um ihm für seine Hilfe zu danken, drückte sie seine Hand. Dann sank sie in die Polsterung des Ohrensessels.
Inzwischen hatte sich India auf das Bett gesetzt. Southerton ging zu ihr. »Nun sollten wir dieses Haus endlich verlassen.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. Mit einem flehenden Blick bat sie ihn um Verständnis. »Noch nicht.« Dann wandte sie sich zur Countess, die ausdruckslos zu Boden starrte. »Vorher muss einiges erklärt werden.« Ihre Stimme nahm einen heiseren Flüsterton an. »Trifft meine Vermutung zu... Mutter?«
Resignierend sank Ihre Ladyschaft in sich zusammen, und diese Antwort genügte India. Wie sie aus den Augenwinkeln feststellte, zeigte South keine Reaktion. »Du wusstest es.«
»Ja.« Nun war es sinnlos, ihr die Wahrheit noch länger
vorzuenthalten. Bedrückt fragte er sich, wie er ihr das alles schonend beibringen sollte.
»Schon immer?«
»Erst seit kurzer Zeit. Bis heute gab es keine Beweise – doch dann sah ich, dass du die Augen deiner Mutter geerbt hast.«
India wandte sich zu Lady Margrave, die ihre Augen immer noch unter gesenkten Wimpern verbarg. Nur zögernd schaute die Schauspielerin zu dem gefesselten Earl hinüber. Aus seinem Mundwinkel tropfte ein Blutstropfen zu Boden. Der Gedanke, dass in ihren Adern das gleiche Blut floss, ließ sie erschauern. »Heiliger Himmel|... mein Bruder«, stöhnte sie.
Von tiefem Mitgefühl erfasst, setzte sich Southerton zu ihr und nahm sie in die Arme. Über ihren Scheitel hinweg betrachtete er Margrave, der allmählich zu Bewusstsein kam und sich langsam bewegte.
»Dein Halbbruder«, erklärte die Countess.
Für India spielte dieser geringfügige Unterschied keine Rolle. Verzweifelt presste sie das Gesicht an Southertons Hals. Die schreckliche Wahrheit hatte er ihr vermutlich ersparen wollen. Und Margrave hatte geschwiegen, um sie irgendwann mit diesen erschütternden Enthüllungen zu bestrafen. Und um sich an seiner Mutter zu rächen...
Einige Minuten verstrichen, und sie entspannte sich ein wenig. Das spürte auch South, und er lockerte seine Umarmung.
»Jetzt fühle ich mich etwas besser«, flüsterte sie.
»Das war ein schwerer Schlag für dich, nicht wahr?« Mühsam richtete sich Margrave auf. Die Hände auf den Rücken gebunden, musste er seine ebenfalls gefesselten Füße benutzen, um über den Boden zu rutschen, bis er an einer Wand lehnte. Von seinem Mundwinkel zog sich eine
dünne Blutspur bis zum Kinn hinab. »Genauso erging es mir, als ich erfuhr, dass du meine Schwester bist – meine Halbschwester. Offenbar findet unsere Mutter diesen Unterschied wichtig, obwohl er nicht viel an dem beklemmenden Umstand ändert. Als ich es erfuhr, war ich noch sehr jung. Neun Jahre alt, wenn ich mich recht entsinne.« Verächtlich wandte er sich an die Countess. »Stimmt das, Mama? War ich neun?«
»Ja«, bestätigte sie fast unhörbar.
Er nickte und wandte sich wieder zu India. »Genau wie ich’s mir dachte. Neun Jahre... Damals hast du bei Marianne und Thomas Hawthorne gelebt. Du kanntest mich nicht. Warum solltest du auch? Glücklich und zufrieden bist du im Schatten von Merrimont aufgewachsen. Was dich mit diesem Haus verbindet, hättest du vielleicht nie erfahren. Unserer Mutter wäre das am liebsten gewesen. Aber ich fand es ungerecht.«
Als Southerton eine Hand hob, um den Earl zu unterbrechen, schüttelte India den Kopf. »Nein, ich will alles hören.«
Nun stand Ihre Ladyschaft auf. Das Kinn hoch erhoben, versuchte sie sich zu fassen. »Die restliche Geschichte werde ich erzählen.«
»Tu das, Mutter!«, rief Margrave höhnisch. »Wahrscheinlich ist meine Version längst nicht so amüsant wie deine.«
»Eines Tages hörte Allen, wie mein Ehemann und ich deinetwegen stritten, Diana«, begann die Countess. »Es ging um die Frage, ob du weiterhin bei den Hawthornes wohnen solltest. Mit diesem Arrangement war der Earl nicht einverstanden, und er wollte dich nach Merrimont und schließlich nach Marlhaven holen. Dagegen protestierte ich.«
»Bei meiner Geburt stand Ihnen meine Mutter als Hebamme
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