Glut der Gefuehle - Roman
unheimlich ruhig. »Sonst erdrosselst du dich.«
Ihre Augen quollen beinahe aus den Höhlen. Hilfe suchend starrte sie Southerton und ihre Tochter an. Der Viscount schob India hinter seinen Rücken, was sie widerstandslos geschehen ließ. Mit dieser ungewohnten Fügsamkeit verriet sie ihm, welch schweren Schock ihr die letzte Information versetzt hatte. »Was wollen Sie, Margrave?«, fragte er.
»Ganz einfach... ich möchte gehen.«
»Dann verschwinden Sie. Doch vorher lassen Sie die Countess los.«
Entschieden schüttelte der Earl den Kopf. »Sie würden meine Flucht verhindern, Southerton.«
»Das werde ich nicht tun. Ich gebe Ihnen mein Wort drauf.«
»Geben Sie mir lieber India.«
»Niemals.«
»Aber sie muss mich von den Fußfesseln befreien.«
»Lassen Sie Ihre Mutter los, dann können Sie Ihre eigenen Hände dafür benutzen.«
Margraves frostige Augen glitten zu India hinüber. »Komm hierher!«
»Nein.«
Als er brutal an der Kordel zerrte, die Lady Margrave zu erwürgen drohte, zögerte India. »Ich öffne dir die Tür. An Southertons Versprechen musst du nicht zweifeln...« Ehe der Earl protestieren konnte, stürmte sie zur Tür und riss sie auf.
Und dann wich sie verwirrt zurück. »Oh... Sie!«
Etwas schuldbewusst richteten sich die drei Männer auf, die im Flur gelauscht hatten, spähten an India vorbei und sondierten das Terrain. South hatte inzwischen die Ablenkung genutzt, um die Countess von der Kordel zu befreien.
Nun kniete sie am Boden und betastete ihre Kehle, während Margrave den Arm wegzustoßen suchte, den der Viscount an seinen Adamsapfel presste.
»Offenbar haben wir unser Stichwort verpasst«, meinte North im beiläufigen Konversationston.
»In der Tat.« East betrat das Schlafzimmer. »Welch ein Pech|...«
»Du kannst wirklich nicht erwarten, dass wir dich immer retten, South«, seufzte West. »Also, was ist zu tun?«
Epilog
Wie eine glitzernde Schlange wand sich die geflochtene goldene Schnur um Indias Hals, schnitt qualvoll in ihre Haut und drückte ihr die Luft ab. Aus ihrer Kehle entrang sich ein lautloser Schrei, auf ihrer Brust lastete eine ungeheure Schwere, in ihren Ohren rauschte das Blut. Grelle Blitze zuckten vor ihren Augen. Von kalter Todesangst erfasst, warf sie sich unruhig hin und her.
»India«, flüsterte South, nahm sie behutsam in die Arme und strich den weizenblonden Zopf von ihrem Hals. »Nur ein Traum... ein böser Traum«, beteuerte er. Dann löste er das Band aus dem Zopf, entwirrte ihn und breitete das seidige Haar auf dem Kissen aus. Zärtlich küsste er Indias Schulter und atmete den Lavendelduft ein, der nach dem abendlichen Bad an ihrer Haut haftete. »Jetzt suchen dich die Albträume immer seltener heim, Liebste. Seit dem letzten sind über sechs Wochen verstrichen.«
»Zählst du sie?«
»Glaubst du das allen Ernstes?« In seiner Stimme schwang ein sanfter Tadel mit.
»Nein, es ist nur... So lange kommt es mir nicht vor.« India befreite sich von seinen Armen und zündete die Nachttischlampe an. Früher hatte sie auf den Schutz der Dunkelheit bestanden. Aber jetzt zog sie schwaches Licht vor, wenn sie aus einem Albtraum erwachte.
South wartete, bis sie sich wieder an ihn kuschelte, bevor
er zu sprechen begann. »An das letzte Mal erinnere ich mich, weil North und seine Frau uns kurz zuvor besucht haben«, erklärte South. »Weißt du’s noch? Damals vertraute Elizabeth dir an, sie sei guter Hoffnung.«
»Ja«, bestätigte India lächelnd. »Vor lauter Glück war North ganz durcheinander. Glaubst du... das hat meinen bösen Traum heraufbeschworen?«
»Sicher nicht. Am selben Tag hast du auch Post von Lady Margrave erhalten.«
India nickte. »Heute ebenfalls – einen langen Brief von der Countess.«
Bisher hatte sie sich nicht durchringen können, Ihre Ladyschaft ›Mutter‹ zu nennen. South nahm an, sie würde noch eine Weile brauchen, ehe sie all die Tatsachen akzeptierte. Dazu drängte er sie nicht. »Das hat Darrow mir erzählt.«
»So leicht entgeht ihm nichts.«
»Nicht das Geringste«, stimmte South grinsend zu.
Nachdenklich seufzte sie. »Meinst du|... meine Albträume hängen mit Lady Margraves Briefen zusammen?«
»Nicht direkt – sie lenken deine Gedanken nur auf die schrecklichen Ereignisse. Was die Countess dir schreibt und was du davon hältst, erzählst du mir nicht. Du willst mir weismachen, die Vergangenheit würde dich nicht mehr bedrücken. Und dann plagen dich böse Träume. Wenn du auch versuchst,
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