Glut der Gefuehle - Roman
Theater und erledigen Sie, was Sie sich ausgedacht haben.«
Sie nickte und glaubte immer noch, seine Finger zu spüren, die ein paar Haarsträhnen sorgfältig hinter ihre Ohren
gestrichen hatten. Nachdem der Viscount die Tür geöffnet hatte, stieg sie mithilfe des Kutschers aus.
»Guten Abend, India«, grüßte James Kent, wandte sich von dem Mann an seiner Seite ab und trat zu ihr. Wenn er ihr auch nicht den Weg versperrte – seine Absicht, sie aufzuhalten, war eindeutig.
Notgedrungen blieb sie stehen. »Mr Kent|... Heute Abend verlassen Sie das Theater ungewöhnlich spät.«
»Ich musste mich um die Buchführung kümmern – eine lästige und langweilige, aber unumgängliche Pflicht.«
»Und das Ergebnis Ihrer Bemühungen?«
James Kent neigte nicht zu jenen emotionalen Demonstrationen, die seine Regieführung von den Schauspielern verlangte. »Zufriedenstellend«, erwiderte er. »Eine angenehme Begleiterscheinung Ihrer hervorragenden Schauspielkunst und Popularität, India. Wenn Sie die Hauptrolle spielen, sind die Vorstellungen stets ausverkauft.«
Besonders erfreut klang seine Stimme nicht. Aber das würde sie nicht erwähnen. »Wie nett von Ihnen, das zu sagen, Sir...« Sie wollte an ihm vorbeieilen, doch er folgte ihr. »Oh nein, Sie müssen nicht mitkommen. Ich besitze einen Schlüssel. Den haben Sie mir gegeben, damit ich allein ins Theater gehen kann. Erinnern Sie sich?«
»Ich begleite Sie sehr gern«, entgegnete er und bedeutete seinem Gefährten zu warten. »Ich bin gleich wieder da!«, rief er ihm zu.
Was der Mann antwortete, verstand India nicht, und sie musste den Impuls bekämpfen, sich umzudrehen, um ihn zu mustern. Offenbar gehörte er nicht zum Personal des Drury Lane, sonst hätte er sie begrüßt. »Bitte, Mr Kent, es ist wirklich nicht nötig...«
»Oh, das macht mir keine Mühe.«
»Nun, dann danke ich Ihnen. Allzu lange wird es nicht dauern. Ich möchte nur das Skript holen, das Sie heute verteilt haben.« Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er sich zur Droschke umdrehte.
»Geben Sie heute Nacht eine Privatvorstellung, India?«
Da sie eine solche Frage erwartet hatte, versteifte sie sich nicht. »So privat, wie ich’s gewünscht hätte, wird’s wohl nicht sein«, konterte sie ohne die geringste Verlegenheit.
An der hageren, eckigen Gestalt des Theaterdirektors hing ein formloser schwarzer Gehrock. Seine Hand glitt nach oben. Mit dem Daumen und Zeigefinger rieb er sein spitzes Kinn, als India die Bühnentür aufschloss, die er eben erst versperrt hatte.
Seine sanfte Stimme verhehlte die Dringlichkeit der Frage, die er jetzt stellte. »Habe ich Grund zur Sorge, meine Liebe?«
In ihrer Brust spürte sie wieder jenes viel zu vertraute Beben. Sie kannte James Kent zu gut, um sich von seinem beiläufig bekundeten Interesse täuschen zu lassen. »Das weiß ich nicht, Sir. Jedenfalls mache ich mir keine Sorgen.«
Kent half ihr, die Laterne anzuzünden, die hinter der Tür hing, nahm sie India aus der Hand und hielt sie hoch. Im schwachen Lichtschein betrachtete er ihr Gesicht. »Ich arbeite schon zu lange mit Schauspielern, um sie zu mögen. Für mich sind sie letzten Endes nur Mittel zum Zweck.«
Diesen unverblümten Kommentar hörte sie nicht zum ersten Mal. »Ja, das sagten Sie bereits.« Sie kehrte ihm den Rücken zu und ging zu ihrer Garderobe, während er ihr auf den Fersen blieb.
»Es stört mich, wenn jemand von Ihrer Sorte einen solchen Berühmtheitsgrad erreicht. Das Publikum verlangt nach Ihren Darbietungen, und ich muss seine Wünsche erfüllen oder seinen Unmut riskieren. Obwohl ich mich nur widerwillig dem Diktat der Zuschauer beuge, darf ich ihre Interessen nicht meinen eigenen opfern.« Um seine nächsten Worte zu unterstreichen, machte er eine kurze Pause. »Ich frage Sie noch einmal, India. Habe ich Grund zur Sorge?«
Erbost drehte sie sich zu ihm um. »Wie soll ich das wissen, wenn Sie nicht entscheiden können, ob Sie ohne mich ein angenehmeres Leben führen würden? Würde Ihre Sorge mir gelten, wäre ich Ihnen dankbar. Aber Sie denken nur an sich selbst, und deshalb fühle ich mich belästigt.«
»Und die Truppe?«, fragte der Direktor unbeirrt. »Ich spreche für das ganze Ensemble.«
In etwas milderem Ton beteuerte sie: »Ich will das Theater nicht verlassen. Offenbar haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört, in das Sie zu viel hineindeuten.«
»Oh, ich weiß genau, was ich sah, India. Es ist der Viscount Southerton, nicht wahr?«
Wortlos
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