Glut der Gefuehle - Roman
Gefahren schutzlos ausgeliefert gewesen... Doch davon wusste sie nichts. Ebenso wenig bedeutete es, der Oberst würde nicht verwerten, was immer sie South anvertrauen mochte. Er versuchte erneut, ihre Miene zu erkennen, in ihren Augen zu lesen. South wollt erfahren, ob sie Angst verspürte – oder ob sich ihre Lippen herausfordernd verkniffen.
»Ist etwas geschehen, das Sie veranlasst hat, Ihren Entschluss zu revidieren?«
»Nein«, erwiderte sie nach kurzem Zögern, »ich sorge mich um eine andere Person.«
»Um wen?«
Bevor sie antwortete, vernahm er einen tiefen Atemzug. »Ich fürchte, Lady Macquey-Howell wird etwas zusto ßen.«
»Nicht dem spanischen Konsul? Sondern Lady Macquey-Howell?«
»Ja.«
»Welchen Verdacht hegen Sie?«
»Zwischen den beiden wurden finanzielle Transaktionen vereinbart. Die Einzelheiten kenne ich nicht, und ich will auch gar nichts davon wissen. Aber ich glaube, die Countess hat sich übernommen.«
Gut möglich, dachte South. »Und welches Schicksal könnte ihr widerfahren?«
»Keine Ahnung.«
»Ist ihr Leben in Gefahr?«
»Das habe ich nicht gehört. Es wurde nur erwähnt, sie könnte bloßgestellt werden.«
»Möglicherweise wäre das zu begrüßen«, entgegnete South freimütig.
»Es steht mir nicht zu, ihre Affäre mit Señor Cruz zu beurteilen. Jedenfalls dachte ich, es würde Sie interessieren, dass die Beziehung der beiden nicht mehr geheim ist, Sir.«
»Sogar sehr. Und Ihre Informationsquelle?«
»Ich selbst.«
»Vielen Dank. Was Sie mir erzählt haben, werde ich weiterleiten.«
»Sehr gut.«
Eine Zeit lang grübelte er schweigend nach. »Miss
Parr, da gibt es etwas, das ich mit Ihnen besprechen möchte.«
»Ja?«
In beiläufigem Ton erkundigte er sich: »Was wissen Sie über Mr Rutherford?«
»Rutherford?«, wiederholte sie, offenbar verwirrt. »Mr William Rutherford?«
»Kennen Sie ihn?«
»Nur flüchtig.«
»Ich glaube, er gehört zu Ihren Bewunderern.« Dass South dies mit Sicherheit wusste, verriet er nicht.
»Manchmal kommt er nach einer Vorstellung in meine Garderobe. Und er macht mir stets sehr nette Komplimente.«
»Hat er seine allabendlichen Besuche beendet?«
»Allabendlich? Wohl kaum. Lediglich zwei- oder dreimal pro Woche... Darf ich fragen, warum Sie sich für Mr Rutherford interessieren, Mylord?«
Einen Moment überlegte er, was er ihr erzählen sollte. »Zufällig erfuhr ich heute Abend, Mr Rutherford sei au ßer Landes geflohen, um seinen Gläubigern zu entrinnen.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Also wussten Sie von seinen hohen Schulden?«
»Nun, es wurde mir zugetragen. Warum erwähnen Sie das?«
»Nur um meine Neugier zu befriedigen.«
Das ist keine Antwort, dachte India. »Ist mir das gelungen?«
»Nicht ganz. Ich frage mich, ob Sie irgendwelche Gefühle für Mr Rutherford empfinden.«
»Ob ich...?« Sie wünschte, sie könnte ihn etwas deutlicher sehen – oder seine Gedanken lesen. »Nein, das versichere
ich Ihnen. Er kommt in meine Garderobe, um mir seine Aufwartung zu machen. Hin und wieder hinterlegt er seine Karte. Ich habe allerdings niemals auf seine Annährungsversuche reagiert und alle Karten Doobin geschenkt. Schon seit einer ganzen Weile sammelt der Junge alle Visitenkarten, die mir übergeben werden.«
»Besitzt er auch meine?«
»Nein, die behielt ich.« In Wirklichkeit hatte sie die Karte verbrannt. »Glauben Sie, Mr Rutherford ist geflohen?«
»Da bin ich mir noch nicht sicher.«
»Ich verstehe.«
»Soviel ich weiß, war er sehr an Ihnen interessiert.«
»Tatsächlich? Das habe ich gar nicht bemerkt.«
South lachte leise und etwas wehmütig. Bedauernswerter Rutherford |...
»Nehmen Sie an, Mr Rutherfords Verschwinden hängt mit mir zusammen, Mylord?«
»Immerhin liegt die Vermutung nahe.«
»Diesen Verdacht finde ich nicht besonders schmeichelhaft«, sagte sie kühl.
»Meine liebe Miss Parr|...«, begann er gedehnt. »Ich hatte gewiss nicht vor, Ihnen zu schmeicheln.« Als er sah, wie sie herausfordernd den Kopf in den Nacken warf, war er froh, dass der Mondschein in diesem Augenblick nicht auf ihn fiel und sein belustigtes Lächeln beleuchtete.
»Sicher werden Sie bei Ihren weiteren Ermittlungen feststellen, dass die Gerüchte über Mr Rutherford den Tatsachen entsprechen.«
»Zweifellos«, stimmte South in neutralem Ton zu. Mit einem Zeigefinger schob er einen der Vorhänge beiseite und spähte durch den schmalen Spalt. Bald würden sie das Theater erreichen. Er ließ die Hand sinken,
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