Glut der Gefuehle - Roman
dann
streckte er ein Bein aus, um Miss Parr den Weg zum Wagenschlag zu versperren. »Wie auch immer, wenn Sie sich täuschen sollten – würden Sie noch einmal über das Angebot des Obersts nachdenken?«
»Nein, ich bleibe bei meinem Entschluss. Ich brauche keinen Schutz.«
Obwohl ihre Stimme sehr entschieden klang, gewann er den Eindruck, sie könnte sich doch noch anders besinnen. Ihr Gesicht war abgewandt, als wollte sie es nicht einmal in der dunklen Droschke riskieren, seinem Blick zu begegnen. »Lehnen Sie das Angebot meinetwegen ab?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen...«
Oh, das weiß sie sehr gut, dachte er. »Nun, Miss Parr?«
Der Fahrer zügelte das Gespann. Schwankend kam die Droschke zum Stehen.
»Da sind wir«, verkündete India.
»Ja.« South rührte sich nicht. »Bitte, seien Sie so freundlich und beantworten Sie meine Frage.«
Sie stand auf. Erst jetzt merkte sie, dass ihr sein Bein den Weg zur Tür versperrte. »Vorhin sagten Sie, ich müsste so tun, als habe ich etwas im Drury Lane zu erledigen. Diesen Rat werde ich nun befolgen.«
»Ich begleite Sie.«
Hastig setzte sie sich wieder. »Nein.«
»Gut. Dann beantworten Sie meine Frage.«
Durch den Wagen ging ein Ruck, als der Fahrer vom Kutschbock stieg. India zog die Kapuze über den Kopf und schob eine blonde Strähne darunter. »Gleich wird er die Tür öffnen. Lassen Sie mich vorbei.«
»Fürchten Sie, jemand könnte uns zusammen sehen?«
»Bitte, entfernen Sie Ihr Bein!« India tastete nach dem Türgriff. »In ein paar Minuten bin ich wieder hier.«
Aber South vermutete, sie würde überhaupt nicht zurückkehren. Sonst hätte sie nicht all die Vorsichtsmaßnahmen ergriffen.
Kurz entschlossen beugte er sich vor, zog sie auf seinen Schoß, und als sie verblüfft den Mund öffnete, verschloss er ihn mit einem Kuss.
Im selben Augenblick wurde der Wagenschlag aufgerissen.
Viertes Kapitel
Zunächst fühlten sich ihre Lippen kühl an. South glaubte, das läge an ihrer Blässe. Aus ihrem Gesicht war alles Blut gewichen. Natürlich hatte sie nicht erwartet, er würde sie so respektlos behandeln, und es widerstrebte ihm, ihr Vertrauen zu missbrauchen.
Obwohl er sie so abrupt umarmt hatte, umfing er sie jetzt sehr behutsam. Mit einer Hand hielt er ihren Kopf fest, zwischen seinen Fingern spürte er seidene Locken. Er roch Seife und Fliederduft.
Allzu lange nutzte er den Vorteil des Überraschungseffekts nicht aus und bezwang die Versuchung, seine Zunge zwischen Indias Lippen gleiten zu lassen. Seine Augen waren nur halb geschlossen, und er warf einen Blick zum Wagenschlag, den der Kutscher wieder geschlossen hatte – mit einer verlegen gemurmelten Entschuldigung. Aber zuvor waren zwei Männer zu der Droschke geschlendert und stehen geblieben, um die Szene zu beobachten.
Erneut vom Dunkel geschützt, hob South langsam den Kopf. »Passen Sie auf, was Sie sagen oder tun«, flüsterte er. »Wir haben ein interessiertes Publikum, selbst wenn es uns nicht mehr sehen kann.«
Reglos lag India in seinen Armen.
»Haben Sie das Bewusstsein verloren, Miss Parr?«, fragte er höflich.
»Nein, Mylord«, entgegnete sie mit schneidender Stimme, »ganz gewiss nicht.«
»Oh...« Southerton lachte leise.
Während sie noch über seine Fähigkeit staunte, der Situation eine komische Seite abzugewinnen, amüsierte sie sich ebenfalls und war froh, dass die Finsternis ihr Lächeln verbarg. »Hatten Sie vor, mir die Sinne zu rauben?«
»Nein, diese Unannehmlichkeit wollte ich mir ersparen.«
»Wahrscheinlich tragen Sie kein Riechsalz bei sich, Mylord.«
»Nein, damit kann ich nicht dienen.«
In der Dunkelheit versuchte sie, seine Gesichtszüge zu betrachten. Doch sie musste sich mit der Erinnerung an sein süffisantes Lächeln begnügen, das seine Lippen zweifellos umspielen und in seinen Augen funkeln würde. Warum ist er erst so spät in mein Leben getreten? Entschlossen verdrängte sie diesen Gedanken und befreite sich von seinen Armen. South half ihr, wieder auf der Bank gegenüber Platz zu nehmen.
Dann schob er einen Vorhang zur Seite, und silbernes Mondlicht erhellte das Innere der Droschke. India Parr wirkte gefasst, auch wenn der Viscount vermutete, dass sie diese ruhige Fassade nur spielte.
»Erklären Sie mir Ihr Verhalten?«, bat sie fast unhörbar.
Da der Fahrer und die beiden Männer neben dem Wagen standen, musste der Viscount flüstern. »Bald.« Er beugte sich vor und zog die Kapuze über Indias Kopf. »Gehen Sie jetzt ins
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