Glut der Gefuehle - Roman
wandte sie sich ab, ging weiter und bemühte sich, ihre Schritte nicht zu beschleunigen.
»Dauert die Affäre schon lange?« Eigentlich konnte er sich das kaum vorstellen. Nur wenig, was India Parr betraf, kam ihm nicht zu Ohren. »Übrigens, ich habe von Rutherford gehört.«
»Oh Gott...« Sie betrat ihre Garderobe. Auf dem Toilettentisch, zwischen Rougetiegeln und Cremetöpfen, entdeckte sie das Skript von Thomas Mortons Speed the Plough , griff danach und schwenkte es vor der Nase des Direktors. »Sicher haben Sie keinen Grund, an meinem künstlerischen Verantwortungsgefühl zu zweifeln.«
»Daran wohl nicht«, bestätigte er, obwohl er das nur ungern zugab. »Seien Sie vorsichtig, India. Welche Motive auch immer hinter Southertons Interesse stecken mögen – es dürfte bald erlöschen. Und bis dahin wird er Ihnen große Schwierigkeiten bereiten.«
»Anscheinend sorgen Sie sich tatsächlich um mich, Mr Kent.«
Aus seiner Kehle entrang sich ein Laut, der wie eine Zustimmung klang. Oder vielleicht musste er sich auch bloß räuspern. Die Laterne in der Hand, folgte er ihr in den Gang zurück. »Uns allen könnte Southerton das Leben schwer machen. Wissen Sie, dass er der Erbe des Earls von Redding ist?«
»Ja.«
»Hätten Sie ihn nur nicht aufs Kinn geschlagen!«
Also hatte er davon erfahren. Sollte sie erklären, Southerton habe um eine Ohrfeige gebeten? Nein, das wäre sinnlos. Der Direktor würde ihr wohl kaum glauben. »Der Viscount und seine Freunde hatten sich während einer Aufführung rüpelhaft benommen. Danach kam er in meine Garderobe, und seine Entschuldigung erschien mir unaufrichtig.«
»Mrs Garrety erwähnte Ihren erstaunlich kraftvollen Faustschlag.«
Statt ihm zu antworten, zuckte sie lediglich die Achseln.
»Ich fürchte, damit haben Sie Southerton fasziniert«, fuhr Mr Kent fort.
»Dass er sich um mich bemüht, ist Ihre Annahme. Ich habe nichts Dergleichen behauptet.«
Darauf gab er keine Antwort. »Gehen wir, ich möchte meinen Freund nicht länger warten lassen. Ein potenzieller Investor...«
Schweigend verließen sie das Theater. Die Droschke wartete immer noch am Straßenrand.
»Hoffentlich haben Sie dem Gentleman nichts versprochen, was mich betrifft, Mr Kent«, sagte India kühl.
Ob er sich beleidigt fühlte, ließ seine ernste Miene nicht erkennen. »Ich bin kein Zuhälter.«
»Genau das sind Sie – immerhin haben Sie verkündet, für Sie seien Ihre Schauspieler nur Mittel zum Zweck.«
Wie vom Donner gerührt, hielt er inne. Der Kutscher half India in den Wagen. Ohne Southertons ausgestreckte Hand zu beachten, setzte sie sich.
»Fahren wir zurück, Mylord. Ich möchte endlich ins Bett...« Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, fügte sie hinzu: »Allein.«
South lachte leise und wartete, bis der Fahrer auf den Kutschbock gestiegen war. Dann klopfte er gegen das Wagendach, und die Droschke rollte davon. »Das ist Kent, nicht wahr? Der Theaterdirektor?«
Obwohl sie annahm, dass er das bereits wusste, antwortete sie. »Ja... und der Regisseur unserer derzeitigen Aufführung. Auch die nächste wird er leiten.« Sie hielt das Skript hoch. »Mortons Speed the Plough .«
»Oh, eine ausgezeichnete Wahl.«
»Gewiss, Mr Kent besitzt das besondere Talent, stets die richtigen Stücke auszusuchen.« India nahm ihre Kapuze ab. »Übrigens, er hat Sie gesehen, Mylord, was sicher in Ihrer Absicht lag. Ich wollte unsere Bekanntschaft nicht zugeben, obwohl er danach fragte. Warum ich ihn im Unklaren ließ, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich dieses Verhör genauso unangenehm fand wie Ihren Entschluss, mich zu benutzen.«
Auf diesen Vorwurf ging der Viscount nicht ein. »Und der andere Mann?«
»Ein Investor, hat Mr Kent mir erzählt. Zumindest scheint er mit ihm zu verhandeln. Ich nehme an, der Gentleman war vor allem an mir interessiert. Nun haben Sie ihm alle Hoffnungen geraubt.«
Beunruhigt runzelte South die Stirn. »Was sagen Sie da, Miss Parr? Kent versucht Ihren Bewunderern Geld aus der Tasche zu ziehen, indem er andeutet, Sie könnten ihnen Ihre Gunst schenken?«
»Von Anfang an habe ich den Erfolg der Drury Lane-Truppe nicht nur durch meine Leistungen auf der Bühne gefördert. Wenn die Öffentlichkeit von meiner Liaison mit einem Mann erfährt, erleben meine anderen Verehrer eine bittere Enttäuschung.«
»Haben Sie da kein Wörtchen mitzureden?«
»Ganz im Gegenteil, sogar eine Menge... Aber darauf kommt es nicht an, denn Mr Kent macht ohnehin, was er
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