Glut der Herzen - Roman
verloren hatte. Das Licht einer Droschkenlampe glitt über ihre entsetzte Miene. Ihre Augen waren dunkel und tief vor Angst. Energie loderte in der Atmosphäre um sie herum.
In jenem Moment schimmernder Erkenntnis hatte er das Gefühl, ihre Strömungen würden einander überschneiden. Das Gefühl der Intimität - ein anderes Wort gab es nicht dafür - war anders als alles, was er je empfunden hatte, auch in den Armen einer Geliebten.
Das ist der Wundschock, dachte er. Oder ich habe wieder Halluzinationen .
»Mr Winters«, sagte sie nun strenger. »Sie müssen mir zuhören, Sir. Wo wurden Sie getroffen?«
»An der Schulter, denke ich.« Sein linker Arm war taub. Er rollte sich auf die Füße hoch und griff mit seinem gesunden Arm nach unten, um sie zu sich hinaufzuziehen. Inmitten des Durcheinanders, das auf der Straße herrschte, war es unwahrscheinlich, dass jemand sie bemerken, geschweige denn erkennen würde, doch er wollte kein Risiko eingehen. Er zog ihr mit einem Ruck die Kapuze des Mantels über den Kopf und nutzte seine Schattenenergie, um seine eigenen Züge unkenntlich zu machen.
»In diese Richtung«, befahl er. Er nahm ihre Hand und zog sie zu seinem Wagen.
Zum Glück widersprach sie nicht und stellte auch keine Fragen. Er bugsierte sie durch das Gewirr sich aufbäumender Pferde, verängstigter Frauen und brüllender Männer. Als sie beim Wagen anlangten, hatte Jed bereits den Wagenschlag geöffnet und die Stufen heruntergeklappt.
»Was ist passiert, Boss?«, wollte Jed wissen. »Ich hörte einen Schuss. Alles in Ordnung mit dir und der Lady?«
Adelaide, die schon halb durch die Tür war, hielt inne und warf Jed einen Blick zu. »Mr Winters wurde angeschossen. Wir brauchen sofort einen Arzt.«
»Stimmt das?«, fragte Jed jetzt höchst besorgt. »Bist du verletzt, Boss?«
»Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.« Griffin schob Adelaide ins Wageninnere und stieg nach ihr ein. »Die Lady ist heil, aber ich brauche einen Arzt. Bring sie zur Abbey.«
»Jawohl, Boss.«
»Erst helfen Sie mir, Mr Winters den Mantel auszuziehen«, forderte Adelaide Jed auf. Es war ein Befehl, kein Ersuchen. »Ich muss sehen, wie stark er blutet.« Sie schob ihre Röcke hoch und machte sich daran, breite Streifen von einem ihrer Unterröcke aus Musselin abzureißen.
Jed zögerte, unsicher, wessen Anordnungen er folgen sollte.
Griffin ließ sich Adelaide gegenüber auf den Sitz fallen, schloss die Augen und sank erschöpft in die Polster. Das Wageninnere fing an, sich um ihn zu drehen. »Zur Abbey, Jed.«
»Ich glaube, Sie verfallen in einen Schockzustand, Sir«, mahnte Adelaide. »Ich muss mich sofort um Ihre Wunde kümmern.«
Er blickte sie unter gesenkten Lidern hervor an. »Sie müssen hier schleunigst weg. Der Schurke könnte in der Hoffnung auf einen zweiten Schuss noch hier lauern.«
Adelaide sah aus dem Fenster. »Die Fährte des Mannes, der Sie anschoss, führt von hier fort die Straße entlang. Er ist geflohen, Sir. Sie sind momentan in Sicherheit.«
Es kostete ihn viel Mühe, diese erstaunliche Information zu verarbeiten. »Sie können seine Spuren sehen?«
»Ich kann die Traumlicht-Energie in den Spuren sehen. Sie ist sehr heiß. Nicht weiter erstaunlich angesichts der Tatsache, dass er eben einen Mordversuch beging.«
»Dieser Schuft«, flüsterte er. »Würden Sie die Spuren wiedererkennen, wenn Sie sie sehen?«
»Aber ja. Traumspuren sind eindeutig. Aber es ist nicht der Zeitpunkt, um mein Talent zu diskutieren. Ich muss
feststellen, wie stark Sie bluten. Jed, ich brauche Ihre Hilfe.«
»Jawohl, Ma’am.«
Griffin merkte, dass ihm die Kraft zum Widerspruch fehlte. Kein gutes Zeichen.
Jed kletterte in das kleine Gefährt und machte sich an die Arbeit. Als er und Adelaide den Mantel geöffnet hatten und ihn über eine Schulter herunterziehen wollten, wurde Griffin von einer Schmerzwoge überflutet. Wieder schloss er die Augen und biss die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen.
»Hast du eine Vermutung, wer auf dich geschossen hat, Boss?«, fragte Jed, der sich bemühte, ganz sachte vorzugehen.
»Nein.« Griffin hielt die Luft an.
»Muss eine Liste machen«, brummte Jed. »Im Laufe der Jahre hast du dir etliche Feinde gemacht. Aber ich denke, man kann Luttrell an erste Stelle setzen. Sieht aus, als wolle er den Waffenstillstand brechen.«
Griffin wollte antworten, Adelaide aber beugte sich ganz dicht über ihn. Ihre Fingerspitzen berührten seine Stirn. Trotz der ansteigenden
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