Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
begrüßt. »Die Franzosen hatten also genug von dir?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme.
»Ganz im Gegenteil, sie haben mich angebetet. Aber es macht keine Freude, an einem Ort zu verweilen, an dem man willkommen ist.«
»Das ist zu schade«, sagte Amelia und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Denn hier bist du sehr willkommen.«
Lächelnd streckte Leo den Arm aus und schüttelte Rohan die Hand. »Ich freue mich schon darauf, die Verbesserungen zu sehen, von denen du geschrieben hast. Das Anwesen scheint aufgeblüht zu sein.«
»Du kannst morgen früh mit Merripen selbst darüber sprechen«, erwiderte Rohan unbeschwert. »Er kennt den Ort wie seine Westentasche, außerdem den Namen jedes Dienstboten und Pächters. Und
er hat auf diesem Gebiet viel zu erzählen, also sei vorgewarnt, dass sich jede Unterhaltung über das Anwesen hinziehen wird.«
»Morgen früh«, wiederholte Leo und warf Win einen raschen Blick zu. »Er ist in London?«
»Sogar hier im Rutledge. Er ist in der Stadt und trifft einen Agenten, um weiteres Personal anzuheuern.«
»Ich muss mich bei Merripen für vieles bedanken«, sagte Leo mit ungewohnter Ernsthaftigkeit, »und bei dir ebenfalls, Rohan. Der Teufel allein weiß, warum du dir meinetwegen solche Umstände gemacht hast.«
»Es war auch um deiner Familie willen«, erwiderte Rohan mit einem Augenzwinkern.
Während sich die beiden Männer unterhielten, zog Amelia ihre Schwester zu einem Sofa neben dem Kamin. »Dein Gesicht ist voller«, sagte Amelia und nahm jede Veränderung an Win begeistert wahr. »Deine Augen leuchten, und du hast eine wunderbare Figur.«
»Keine Korsetts mehr«, sagte Win grinsend. »Dr. Harrow sagt, sie pressen die Lungen zusammen, zwingen die Wirbelsäule und den Kopf zu einer unnatürlichen Haltung und schwächen die Rückenmuskulatur.«
»Wie skandalös!«, rief Amelia mit funkelnden Augen. »Kein Korsett? Nicht einmal zu offiziellen Gesellschaften?«
»Ich darf ab und an eines tragen, aber auch dann nur locker gebunden.«
»Was sagt Dr. Harrow sonst noch?« Amelia fand offensichtlich Vergnügen an den Methoden des Arztes.
»Irgendeine anrüchige Meinung in Bezug auf Strümpfe oder Strumpfhalter?«
»Du kannst dich von ihm persönlich aufklären lassen«, sagte Win. »Leo und ich haben Dr. Harrow mitgebracht.«
»Wunderbar. Hat er geschäftlich hier zu tun?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Da er aus London stammt, nehme ich an, dass er Verwandte und Freunde besuchen will?«
»Ja, das mag teilweise stimmen, aber …« Win spürte, wie sie leicht errötete. »Julian hat das persönliche Interesse geäußert, außerhalb des Sanatoriums Zeit mit mir zu verbringen.«
Amelias Lippen öffneten sich überrascht. »Julian«, wiederholte sie nachdrücklich. »Macht er dir etwa den Hof , Win?«
»Ich bin mir nicht sicher. In dieser Hinsicht verfüge ich über keinen großen Erfahrungsschatz. Aber ich denke schon.«
»Magst du ihn?«
Win nickte, ohne zu zögern. »Sehr.«
»Dann bin ich davon überzeugt, dass ich ihn ebenfalls mögen werde. Und ich bin froh, ihm persönlich für alles danken zu können, was er für dich getan hat.«
Lächelnd kosteten sie die herrliche Freude aus, wieder vereint zu sein. Doch schon im nächsten Moment dachte Win an Merripen. Ihr Puls begann zu rasen, und eine Gänsehaut überzog ihren Körper.
»Wie geht es ihm, Amelia?«, brachte sie schließlich im Flüsterton heraus.
Amelia musste nicht nachfragen, wen ihre Schwester mit »ihm« meinte. »Merripen hat sich verändert«,
sagte sie vorsichtig, »beinahe so sehr wie du und Leo. Cam behauptet, Merripen habe Unmenschliches auf dem Anwesen vollbracht. Es erfordert ein breites Spektrum an Fähigkeiten, um die Arbeiter, Handwerker und den Bauherrn zu überwachen und gleichzeitig die Höfe der Pächter instand zu setzen. Und Merripen ist das alles mit Bravour gelungen. Wenn nötig, hat er die Ärmel hochgekrempelt und selbst Hand angelegt. Er hat sich den Respekt der Arbeiter verdient – niemand dort zweifelt seine Autorität an.«
»Was mich natürlich nicht überrascht«, sagte Win, in der ein bittersüßes Gefühl emporstieg. »Er ist schon immer ein sehr fähiger Mann gewesen. Aber wenn du sagst, er habe sich verändert, was genau meinst du?«
»Er ist irgendwie … hart … geworden.«
»Hartherzig? Sturköpfig?«
»Ja, und abwesend. Er scheint sich weder über seinen Erfolg zu freuen, noch Zufriedenheit aus seinem
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