Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
rasch um.
Merripen stand auf der Türschwelle und beobachtete sie.
Verärgert stellte sie fest, dass ihr eine unaufhaltsame Röte in die Wangen schoss. Sie wollte weit weg von ihm sein, am anderen Ende der Welt. Ihn nie wieder sehen. Und gleichzeitig sogen ihre Sinne ihn förmlich in sich auf… sein Anblick in dem am Hals offen stehenden Hemd, das weiße Leinen, das an seiner bronzefarbenen Haut klebte … sein kurzes dunkles Haar, der Geruch nach körperlicher Arbeit, der ihre Nase kitzelte. Allein seine unbeschreibliche Größe und betörende Ausstrahlung ließen sie vor Verlangen erstarren. Sie wollte seine Haut an ihren Lippen schmecken. Sie wollte das Pochen seines Pulses an ihrem spüren. Wenn er doch nur zu ihr käme, in diesem Augenblick, sie mit seinem harten, schweren Körper aufs Bett drücken würde und sie hier und jetzt nähme. Ihren Ruf für immer ruinieren würde.
»Wie ist deine Reise aus London gewesen?«, fragte er mit ausdruckslosem Gesicht.
»Ich werde keine leere Konversation mit dir betreiben.« Win ging ans Fenster und richtete den Blick blind auf den dunklen Wald in der Ferne.
»Ist das Zimmer nach deinem Geschmack?«
Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
»Wenn es etwas gibt, das du brauchst …«
»Ich habe alles, was ich brauche«, fiel sie ihm ins Wort. »Vielen Dank.«
»Ich möchte mit dir über jenen Abend reden …«
»Das ist unnötig«, sagte sie und versuchte, gefasst zu klingen. »Du musst mir keine Ausreden auftischen, weshalb du mir keinen Antrag gemacht hast.«
»Ich will, dass du verstehst …«
»Das tue ich. Und ich habe dir auch bereits vergeben.
Vielleicht wird es dein Gewissen beruhigen, dass es mir mit Harrow viel bessergehen wird.«
»Ich will deine Vergebung nicht«, sagte er schroff.
»Schön, dann vergebe ich dir eben nicht. Was auch immer du willst.« Sie ertrug es nicht, noch eine Sekunde länger mit ihm allein zu sein. Ihr Herz zerbrach. Sie konnte spüren, wie es in tausend Stücke zersplitterte. Mit gesenktem Kopf ging sie an seiner reglosen Gestalt vorbei.
Eigentlich hatte Win nicht vorgehabt, stehen zu bleiben. Doch bevor sie über die Türschwelle trat, baute sie sich dicht vor ihm auf. Es gab eine Sache, die sie ihm unbedingt noch sagen wollte. Die Worte ließen sich einfach nicht zurückdrängen.
»Ach ja«, hörte sie sich tonlos sagen, »ich habe gestern einen Londoner Arzt aufgesucht. Einen sehr angesehenen. Ich habe ihm meine medizinische Krankengeschichte geschildert und ihn dann gefragt, wie er meinen allgemeinen Gesundheitszustand einschätzt.« Als Win das eindringliche Starren von Merripen gewahrte, fuhr sie gleichmütig fort: »Laut seiner fachlichen Meinung gibt es keinen Grund, weshalb ich keine Kinder bekommen sollte, wenn das mein Wunsch sei. Er sagte, es gäbe für keine Frau die Garantie, dass bei der Geburt alles gut liefe. Aber ich werde ein erfülltes Leben haben. Ich werde alles mit meinem Gatten tun können, wozu wir Lust haben, und so Gott will, werde ich eines Tages Mutter sein.« Sie machte eine kurze Pause und fügte dann in erbittertem Tonfall hinzu, der gar nicht zu ihr passte: »Julian wird überglücklich sein, wenn ich ihm von dieser Neuigkeit erzähle. Denkst du nicht auch?«
Falls der spitze Stachel Merripens Panzer durchbohrt hatte, ließ er sich allerdings nichts anmerken. »Da gibt es etwas, das du über ihn wissen solltest«, sagte Merripen ruhig. »Die Familie seiner ersten Frau … die Lanhams … vermuten, dass er etwas mit ihrem Tod zu tun hatte.«
Wins Kopf wirbelte herum, und sie starrte Merripen mit schmalen Augen an. »Ich kann nicht glauben, dass du so tief gesunken bist. Julian hat mir alles erzählt. Er hat sie geliebt. Er hat alles Menschenmögliche getan, um die Krankheit zu besiegen. Als sie starb, war er zutiefst verzweifelt, und dann wurde er auch noch fälschlich von ihrer Familie beschuldigt. In ihrem Kummer brauchten sie jemanden, dem sie die Schuld geben konnten. Julian war ein willkommener Sündenbock.«
»Die Lanhams behaupten, er habe sich nach ihrem Tod sehr verdächtig verhalten. Und überhaupt nicht in das Bild eines trauernden Gatten gepasst.«
»Nicht jeder Mensch zeigt seinen Kummer auf dieselbe Art«, fauchte sie. »Julian ist Arzt – er hat sich angewöhnt, bei seiner Arbeit keine Gefühle zuzulassen, weil es so das Beste für seine Patienten ist. Natürlich hat er sich nicht gestattet, einfach zusammenzubrechen, egal wie tief betrübt er war. Wie kannst du es wagen, ihn zu
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