Glut der Versuchung
mir ein gutes Vorbild sind. «
»Ist Ihnen klar, dass Ihre Entscheidung einige unschöne Folgen haben könnte? «
Ihre Ladyschaft seufzte. »Ja, damit ist zu rechnen. Natürlich werden meine feinen Nachbarn über mich herziehen. Aber das ertrage ich, denn ich habe meinen Ehemann geliebt. Wenn man jemanden wirklich liebt, ist kein Opfer zu groß. Ich vermute, Sie würden dasselbe machen, wären Sie an meiner Stelle, Durchlaucht.«
Was sie sagte, rührte Drew und gab ihm zu denken. Zwar hatte er stets bezweifelt, dass es wahre Liebe gab, doch zu sehen, welches Opfer Lady Freemantle aus Liebe zu ihrem Mann zu bringen bereit war, musste wohl bedeuten, dass sie wirklich existierte.
Würde er dasselbe Opfer für Roslyn bringen, falls es deren Kinder wären, die seine Hilfe benötigten? Wahrscheinlich schon, denn sie wären Teil von ihr.
Ihre Ladyschaft musterte ihn sehr genau. »Sie lieben Roslyn, oder ich muss mich sehr irren«, sagte sie dann mit ruhiger Gewissheit.
Rasch wandte er den Blick ab, weil ihm nicht wohl dabei war, wie eindringlich Lady Freemantle ihn ansah.
Er wusste, dass es auf diese Frage nur eine Antwort gab. Und auch wenn es ihn schockierte, das zugeben zu müssen, er liebte Roslyn sehr.
Genau genommen liebte er sie schon seit einiger Zeit, hatte sich jedoch hartnäckig gegen seine Gefühle gesträubt und versucht, die Wahrheit vor sich selbst zu leugnen. Roslyn hatte sich in sein Herz gestohlen, und nichts könnte sie mehr daraus vertreiben.
Er brauchte sie. Er wollte Kinder mit ihr, eine Familie, und vor allem wollte er ihre Liebe - dieselbe tiefe, beständige Liebe, wie Constance sie mit Sir Rupert erlebt hatte und wie Winifred Freemantle sie für ihren Mann noch Jahre nach dessen Tod hegte.
Der Gedanke, dass er sie verloren hatte, machte ihm eine höllische Angst. Aber er hatte sie ja nie wirklich besessen.
Roslyn könnte ihn niemals so lieben wie er sie, dachte Drew. Nicht solange sie in Haviland verliebt war.
Hatte er ein Recht, sie weiter zu umwerben, wenn er wusste, dass sie einem anderen Mann gehörte? Was war mit ihren Wünschen, ihren Bedürfnissen? Ihren Träumen? Ihrem Glück?
Wenn du die liebst, da Narr, solltest du ihr Glück wollen. Du solltest sie bereitwillig aufgeben ... nicht wahr?
Die Vorstellung, den Rest seines Lebens ohne Roslyn zu sein, erschütterte Drew bis ins Mark. Doch was blieb ihm anderes übrig, wenn er sie wirklich liebte?
Den ganzen Tag ließ ihn diese Frage nicht mehr los.
Sie beschäftigte ihn während Lady Freemantles rührender Begegnung mit Constance, die unendlich dankbar war, dass im Falle ihres Ablebens für ihre Kinder gesorgt wäre.
Sie beschäftigte ihn während seiner Unterhaltung mit seinem Arzt, der tatsächlich riet, die Schwerkranke umgehend aus dem beißenden Gestank des Londoner Hafenviertels in eine gesündere Umgebung zu bringen vorzugsweise aufs Land.
Sie beschäftigte ihn während des sehr langsamen, vorsichtigen Transports der Kranken und ihrer Kinder nach Freemantle Park.
Sie beschäftigte ihn noch, als er bei der Ankunft sah, wie die Kinder mit großen Augen ihr neues Zuhause bestaunten und selbst Ben zaghaft Hoffnung schöpfte, dass seine Mutter und seine Schwestern in Lady Freemantle ihre Rettung gefunden hatten und ihm die schwere Last der Sorge um sie von den schmalen Schultern genommen war.
Und sie beschäftigte ihn erst recht während der langen Rückfahrt nach London.
Es war später Abend, bis er schließlich zu Hause ankam. Er ging direkt in seine Bibliothek, wo er sich mit zwei Flaschen seines besten Whiskys verschanzte. Wenn er sich schon für Roslyn das Herz aus der Brust reißen musste, wollte er sich vorher wenigstens ausreichend betäuben.
Drew war schon bei der zweiten Flasche angekommen, bevor er sich die kalte, bittere Wahrheit eingestand: Er musste sie gehen lassen.
Ohne sie würde er sich entsetzlich leer fühlen, aber Roslyn könnte ihr Glück nur bei Haviland finden, und er wollte, dass sie glücklich war, selbst wenn es hieß, sie an einen anderen Mann zu verlieren. Seine Hände zitterten, als er die Flasche wieder an die Lippen hob.
Er wollte ihr Glück mehr als alles andere in seinem Leben - mehr als sein Leben.
»Wieso wartest du dann noch, du erbärmlicher Wicht? «, murmelte er. »Jeder Aufschub ist zwecklos. Du musst ihr die Chance geben, dass ihr Traum wahr wird. «
Mit einiger Anstrengung erhob sich Drew und ging zum Klingelband, um nach seinem Butler zu läuten. Nut noch größerer
Weitere Kostenlose Bücher