Glut der Versuchung
»Die Medizin des Doktors scheint mir sehr zu helfen. Meine Brust tut nicht mehr so weh, und ich huste weniger.«
Die ganze Nacht hatte Winifreds Haushälterin bei Constance gesessen, ihr warme Brustwickel gemacht und ihr die Kräutermixtur des Arztes eingeflößt, die ihre Hustenanfälle lindern sollte.
»Ach, Mama! «, rief Daisy, die Kleinere, erleichtert. »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. «
»Ich weiß, mein Liebes. Ich habe mir auch große Sorgen gemacht. Und nun erzählt ... wie gefällt euch euer neues Zuhause?«
»Mama, hier ist es wunderbar«, antwortete Sarah voller Ehrfurcht. »Unser Schlafzimmer ist riesengroß, und wir haben jeder unser eigenes Federbett, so dass Daisy mich nicht mehr tritt. Und du musst das Kinderzimmer sehen! Tante Winifred sagt, wir bekommen unsere eigene Gouvernante, damit du uns nicht mehr unterrichten musst. Und Miss Loring hat uns ganz viele Bücher mitgebracht. Daisy mag am liebsten die mit vielen Bildern, aber mir gefallen die mit den Karten besser, in denen man alle die Länder angucken kann, von denen du uns erzählt hast. «
»Und du, Daisy, meine Liebe? «, fragte Constance ihre Jüngste. »Gefällt es dir, hier zu sein? «
Daisy nickte begeistert und hielt die hübsche Porzellanpuppe hoch, die sie an ihre Brust gedrückt hatte. »oh ja, Mama! Sieh mal, wie wunderschön meine neue Puppe ist. Tante Win-fred hat sie mir gegeben, aber ich habe noch keinen Namen für sie. Tante Win-fred sagt, ich soll warten, bis du wieder gesund bist und mir helfen kannst, einen auszusuchen.«
Constance sah voller Dankbarkeit zu Winifred. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Mylady. Sie müssen ein Engel sein, den der Himmel uns geschickt hat. «
Winifred wurde rot vor Verlegenheit und Freude und erwiderte kopfschüttelnd: »Es ist nur angemessen, dass die Kinder hier ein Heim finden. Und Sie auch, meine Liebe. Sie alle sind in Freemantle Park sehr willkommen.«
Tränen schwammen in Constances Augen, als sie Winifreds Lächeln erwiderte.
Bei der rührenden Szene ging Roslyn das Herz auf. Die beiden Frauen verknüpfte ein ganz besonderes Band, indem sie sich gemeinsam der Kinder jenes Mannes annahmen, den sie beide geliebt hatten.
Ihre Liebe musste sehr tief und stark sein, um solch eine Toleranz zu ermöglichen, dachte Roslyn. Bei dem Gedanken brannte es in ihrem Hals. Sie fragte sich, ob sie so großmütig sein könnte, sollte sie erfahren, dass Drew eine zweite Familie hatte. Es wäre entsetzlich schmerzhaft, aber sie glaubte, sie könnte ...
Doch solche Überlegungen waren unsinnig, wies Roslyn sich im Stillen zurecht. Stattdessen sollte sie sich einfach für ihre Freundin freuen.
Und es gab noch einen Grund zur Freude. Heute Morgen schien es weniger wahrscheinlich, dass Constance an ihrer schweren Krankheit starb.
Winifred räusperte sich, als würde ihr alles zu gefühlvoll. »Also«, sagte sie pragmatisch wie immer, »Sie sollten ein wenig Zeit allein mit Ihren Töchtern genießen, aber hinterher müssen Sie sich dringend ausruhen. Ich schicke ein Mädchen hoch, das sich zu Ihnen setzt, und Sie wissen ja, dass Sie jederzeit läuten können, wenn Sie etwas brauchen.«
»Ich danke Ihnen, Mylady«, murmelte Constance.
»Und Sie sollten mich beim Vornamen nennen«, ergänzte Winifred munter. »Dieses dauernde >Mylad< muss aufhören, wenn wir Freundinnen werden wollen,
Constance lachte leise. »Ich würde sehr gern Ihre Freundin werden, Winifred.«
»Sehr gut. Also dann, Constance ... «
Strahlend wandte Winifred sich ab und verließ das Schlafzimmer. Roslyn folgte ihr hinaus auf den Korridor und schloss leise die Tür hinter sich.
»Es war die richtige Entscheidung, sie herzubringen«, sagte Winifred. »Die Mädchen werden hier glücklich sein, und ich mit ihnen. Sie sind die Kinder, die ich nie hatte. «
»Und ich freue mich sehr für dich«, murmelte Roslyn lächelnd.
Ihre Freundin warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Ich bin sicher, dass du und Arden eines Tages mit Kindern gesegnet sein werdet, und dann erfährst du dasselbe Glück, meine Liebe.«
Roslyn zögerte. Solange Constances Schicksal ungewiss war, wollte sie Winifred nicht mit der Nachricht von ihrer gelösten Verlobung belasten. Deshalb lächelte sie nur und drückte ihrer Freundin die Hand. »Du bist wirklich ein Engel, Winifred. Und wenn du nun noch aufhörst, dich zu sehr für meine Angelegenheiten zu interessieren, werde ich dir ebenso dankbar sein wie Constance.«
Winifred lachte
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