Glut der Versuchung
dass er ihre Ungehörigkeit mit kühler Abweisung strafte.
»Du solltest ihr beibringen, einen Gentleman nicht falsch einzuschätzen, Roslyn«, bemerkte Fanny weise. »Das angemessene Betragen gegenüber einem lebenserfahrenen Adligen von Ardens Rang ist eine hohe Kunst, und dieses kühne kleine Frauenzimmer scheint sie nicht einmal annähernd zu beherrschen.«
»Ich ebenso wenig«, sagte Roslyn nachdenklich, »trotz allem, was du mir beizubringen versucht hast. «
Fanny lächelte spöttisch. »Vielleicht solltest du den Duke bitten, dich zu beraten. Lernst du erst, einen Mann wie ihn für dich zu gewinnen, kannst du sicher sein, dass es dir auch bei Lord Haviland gelingt.«
Ihr Vorschlag brachte Roslyn zum Lachen. »Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass der illustre Duke of Arden so tief sinkt, mir bei der Eroberung eines Ehemannes zu helfen.« Natürlich scherzte ihre Freundin. Andererseits könnte Arden ihr gewiss einiges darüber beibringen, welche Eigenschaften er bei einer Mätresse schätzte.
Ihre Überlegungen wurden jäh unterbrochen, als ihre Schwester Lily zu ihnen kam.
»Bitte, ihr müsst mich retten«, jammerte sie und sank in den Sessel neben Roslyn.
»Dich retten?«
»Vor Winifreds ärgerlichen Versuchen, mich zu verkuppeln. Ich schwöre, sie treibt mich noch in den Wahnsinn ! «
Mit Winifred meinte sie Lady Freemantle, die Schirmherrin der Akademie.
»Was hat sie denn so Schreckliches getan?«, fragte Fanny neugierig.
»Sie will mich unbedingt dem Marquess of Claybourne aufzwingen.«
Fanny kräuselte die Stirn. »Wie das? «
»Sie hat ihn förmlich angefleht, mit mir zu tanzen und danach in den höchsten Tönen davon geschwärmt, was für eine vorbildliche junge Dame ich wäre.«
»Das ist wahrlich ein Verbrechen. «
»Es ist nicht witzig, Fanny! «, sagte Lily empört. »Ich empfinde es als unerträglich, vor einem ledigen Adligen angepriesen zu werden wie eine Kuh bei der Viehauktion.« Lily wandte sich an ihre Schwester. »Ach ja, und ich bin hier, um dich zu warnen, Roslyn. Als Nächstes wird Winifred versuchen, dich mit Arden zu verkuppeln. Das hat sie bereits angedeutet.«
»Ich denke, da wird sie wenig Erfolg haben«, sagte Fanny. »Dauernd wählen Matronen sich Arden zum Ziel, die ihre Töchter verheiraten wollen. Seit er volljährig ist, gilt er als begehrtester Junggeselle, doch bisher konnte ihn keine für ihre Zwecke einfangen. Nicht einmal Lady Freemantle könnte unseren flüchtigen Duke bezirzen, es sei denn, er will es. Das gilt übrigens auch für den Marquess.«
»Aber allein ihr Versuch ist schon eine Plage«, erklärte Lily ernst.
Roslyn verkniff sich ein Lächeln, denn ihrer Schwester war es sehr ernst. Lily war dem Paarungswerben insgesamt überaus feindlich gesonnen, wohingegen die meisten jungen Damen es mit Freuden betrieben.
»Es wäre unhöflich, die Feierlichkeiten vor dem späten Essen zu verlassen«, fügte Lily hinzu, »aber danach ... Ich werde Tess überreden, dass wir zeitig aufbrechen Das macht dir hoffentlich nichts aus, Roslyn. Ich gehe dir auch gern morgen wieder zur Hand. Heute Abend aber musst du mich entschuldigen. «
Die beiden Schwestern planten, die Nacht im Haus ihrer engen Freundin Tess Blanchard zu verbringen, damit das junge Paar in der Hochzeitsnacht für sich war. Morgen früh dann würden Marcus und Arabella in die Flitterwochen aufbrechen und Roslyn und Lily nach Danvers Hall zurückkehren. »Fahr ruhig beizeiten mit Tess nach Hause Lily. Ich werde bleiben, bis die letzten Gäste gegangen sind.«
»Kannst du Winifred dann nicht bitten, dich in ihrer Kutsche mit zu Tess zu nehmen? Ihre Ladyschaft wird so oder so bis zum letzten Tanz bleiben, wie ich sie kenne.«
»Ja, das wird Winifred gewiss gern tun«, sagte Roslyn. »Bevor du gehst, sollten wir beide uns allerdings noch ungestört von Arabella verabschieden.«
»Selbstverständlich.« Lily schenkte ihr ein dankbares Lächeln und stand auf. »Bitte entschuldigt mich. Ich muss Tess suchen und sie bitten, mal wieder ein Opfer für mich zu bringen. Sicher wird sie meine Not verstehen, immerhin wollte Winifred sie auch schon mehrmals verkuppeln.«
Fanny erhob sich ebenfalls. »Ich sollte lieber auch gehen, denn ich habe mehreren Gentlemen Tänze versprochen, und ich kann es mir nicht leisten, sie zu enttäuschen. Kann ich dir vorher ein Glas Punsch oder Wein bringen, Roslyn?«
»Danke nein, Fanny. Ich muss gleich in der Küche nach den Vorbereitungen des Abendessens sehen. Bis
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