Glut der Versuchung
entschlossen, um befürchten zu lassen, dass er seine Drohung wahrmachen könnte.
»Wir sollten tun, was er sagt, Winifred«, flüsterte Roslyn, die das Leben des Dieners nicht gefährden wollte.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und stieg zuerst aus dem Wagen. Dann half sie Winifred herunter. Als sie sich wieder zu dem Banditen umdrehte, zog Roslyn ihren Umhang fester um sich. Trotz der warmen Juninacht fröstelte sie vor Angst.
»Was wollen Sie, Sir?«, fragte sie.
»Was glauben Sie wohl, was ich will? Ihr Geld und Ihre Juwelen.«
Ihr Stoffbeutel hing an ihrem Handgelenk, war jedoch leer bis auf ein wenig Kleingeld. Und außer der hübschen Perlenkette und den passenden Ohrringen, die Marcus ihr geschenkt hatte, trug sie keinen Schmuck. Winifred dagegen war praktisch über und über mit Diamanten behängt.
Das schien der Wegelagerer zu wissen, denn er hatte nur Augen für Winifred.
»Her mit Ihren Juwelen, Lady Freemantle«, befahl er und wedelte mit seiner Pistole.
Er kam Roslyn nervös vor oder zumindest so, als würde er seine Schurkenrolle nicht genießen. Roslyn fragte sich" ob dies sein erster Überfall war. Aber wie auch immer, sie hielt es für klüger, ihm nicht zu widersprechen.
Als sie ihre Perlenkette abnehmen wollte, schüttelte der Dieb den Kopf. »Sie nicht, Miss. Ich will nur den Schmuck ihrer Ladyschaft.«
Mürrisch machte Winifred sich am Verschluss ihrer Diamantkette zu schaffen, doch wieder schüttelte der Mann den Kopf. »Geben Sie mir zuerst die Brosche.«
»Welche Brosche?«
»Die unter Ihrem Schal.«
Roslyn wunderte sich, dass der Dieb wusste, was unter Winifreds Schal war. Er musste sie schon früher am Abend gesehen haben. Winifred indes war anscheinend nicht gewillt, ihr kostbarstes Stück auszuhändigen, denn sie machte sich kerzengerade und erklärte: »Die gebe ich Ihnen nicht.«
»Verdammt nochmal, tun Sie, was ich Ihnen sage!«, donnerte er.
»Fluchen Sie nicht, Sie Teufel! «
Als er seine Pistole auf Winifreds üppigen Busen richtete, zitterte seine Hand, und auch seine Stimme klang unstet. Dennoch schien Lady Freemantle den Ernst der Lage zu begreifen. »Nein, bitte, nehmen Sie all meine Juwelen, aber lassen Sie mir dieses eine Stück! «
Roslyn verstand, wie verzweifelt ihre Freundin war. So ungern Winifred sich auch von ihrem teuren Schmuck trennte, die Brosche herzugeben, würde sie nicht verkraften.
Kurzentschlossen trat Roslyn einen Schritt vor ihre Freundin, um den Wegelagerer zu überreden, Winifred die Brosche zu lassen. »Sie sollten sich mit den Diamanten zufriedengeben. Die sind sehr viel wertvoller, wohingegen die Brosche Ihnen kaum etwas einbringt. Eigentlich ist sie eher von sentimentalem Wert.«
»Egal, ich will die Brosche. Und jetzt geben Sie sie mir!«, beharrte er. In diesem Moment hörten sie das Rattern von Kutschenrädern und dazu Hufgetrappel. Ein Wagen näherte sich von hinten.
Der Wegelagerer erstarrte. Bald schon sah Roslyn die andere Kutsche, die über den dunklen Weg herankam. Als sie hinter der Barouche hielt, erkannte Roslyn an dem Wappen auf der Seite, dass es Ardens Wagen war.
Fluchend zerrte der Dieb an seinen Zügeln, so dass sein Pferd zu tänzeln begann, während er anscheinend noch überlegte, was er tun sollte.
Roslyn nutzte seine vorübergehende Ablenkung, um instinktiv zu handeln: Sie nahm ihren Abendbeutel vom Handgelenk und schleuderte ihn mit aller Kraft in das Gesicht des Straßenräubers.
Gleichzeitig machte sie einen Satz auf sein Pferd zu, um ihm die Waffe zu entreißen.
Bei dem unerwarteten Angriff fuhr der Wegelagerer zusammen und riss seine Pistole hoch, wobei er sie abfeuerte. Der Schuss ging über Roslyns Kopf hinweg, war jedoch laut genug, um nicht bloß seins, sondern auch die Pferde von Winifreds Kutsche zu erschrecken.
Dann langte der Mann zu ihrer aller Entsetzen in seine Manteltasche und holte eine zweite Pistole hervor, die er auf Roslyn richtete.
Roslyn blieb regungslos stehen, als der Straßenräuber aufs Neue abgelenkt wurde. Diesmal war es Arden, der hinter Roslyn etwas rief. Der Duke war aus seiner Kutsche gesprungen und kam mit gezückter Pistole auf sie zugelaufen.
Der Bandit schwang seine Waffe in Richtung des neuen Angreifers, doch der Duke zielte bereits und feuerte als Erster.
Der Dieb schrie auf vor Schmerz und sackte im Sattel nach vorn, eine Hand an seinen rechten Arm gepresst. Seltsamerweise wandte er nun abrupt sein Pferd herum und galoppierte davon. Offenbar scheute er einen
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