Glut der Versuchung
alles so gekommen war. Was jetzt eintrat, war exakt das, was er vermeiden wollte: Er musste noch mehr Zeit in Roslyn Lorings Nähe verbringen. Lieber wäre er bereits auf halbem Weg nach London. Doch er konnte den Damen unmöglich seinen Schutz verwehren. Und seine Freundschaft zu Marcus gebot, dass er blieb und sich um alles kümmerte.
Vor nicht einmal einer Stunde hatte er seinem Freund versprochen, ein Auge auf die beiden jüngeren Loring-Schwestern zu haben. Er und Heath waren beide länger auf dem Ball geblieben, um sich von Marcus zu verabschieden und das Ende seines Junggesellentums bei einem Brandy zu betrauern. Natürlich hatte Marcus ihre Mitleidsbekundungen energisch von sich gewiesen und behauptet, er wäre überglücklich über seine Liebesheirat mit Arabella.
Drew fluchte im Stillen. Es ging doch mit dem Teufel zu, dass der Wegelagerer zuschlug, kurz nachdem Drew schwor, auf Marcus' Schwägerinnen aufzupassen.
Er musste allerdings zugeben, dass Roslyn die Gefahr mit erstaunlicher Gelassenheit überstanden hatte. Und er war beeindruckt von ihrer Courage, auch wenn ihm fast das Herz stehen blieb, als sie riskierte, erschossen zu werden. Die meisten Damen, die er kannte, wären lange vorher in Ohnmacht gefallen.
Doch nur weil er ihre Selbstsicherheit bewunderte, wollte er noch lange nicht die Nacht unter einem Dach mit ihr verbringen. Weder wollte er von ihr in Versuchung geführt werden, noch sich den enervierenden Kuppelversuchen von Lady Freemantle aussetzen. Leider sah es so aus, als bliebe ihm gar nichts anderes übrig.
Als die Kutsche nämlich vor dem Anwesen von Lady Freemantle vorfuhr, wollte ihre Ladyschaft nichts davon wissen, dass Roslyn zu ihrer Freundin Miss Blanchard weiterfuhr. Sie bestand darauf, dass sie bei ihr blieb, um ihr Trost zu spenden und ihr Gesellschaft zu leisten.
Roslyns Wangen röteten sich leicht vor Ärger, wie Drew bemerkte, und sie sah verlegen zu ihm hinüber, widersprach ihrer Freundin jedoch nicht. Stattdessen nickte sie und seufzte resigniert.
Lady Freemantle schien sich von ihrem Schwächeanfall vollständig erholt zu haben, denn sie rauschte in die Eingangshalle, wo ihr Butler sie begrüßte. Der alte Diener blickte entsetzt drein, als ihm seine Herrin von ihrem beängstigenden Erlebnis berichtete, doch sie versicherte ihm, dass der Duke of Arden sich der Angelegenheit annehmen würde.
»Der Duke und Miss Loring sind heute Nacht unsere Gäste, Pointon«, fügte sie hinzu. »Führen Sie sie bitte in den grünen Salon und servieren Sie ihnen Erfrischungen, bevor Sie ihre Zimmer herrichten lassen. Seine Durchlaucht hat kein Gepäck, doch ich denke, wir finden in Sir Ruperts Garderobe etwas Passendes für ihn.«
»Sehr wohl, Mylady.«
»Ach, und seine Durchlaucht möchte morgen früh mit dem Verwalter sprechen. Sorgen Sie dafür, dass Mr. Hickling geholt wird, sobald es dem Duke gelegen ist. «
»Ja, Mylady.«
»Danke, Pointon. Und schicken Sie einen Diener zu Miss Blanchard, um Miss Lily Loring auszurichten, dass ihre Schwester heute Nacht hier bleibt.« Lady Freemantle wandte sich mit einem bedauernden Lächeln zu Drew. »Ich hoffe, Sie entschuldigen mich, Durchlaucht. Ich fühle mich immer noch recht schwach und ziehe mich lieber zurück. Roslyn wird Sie an meiner Stelle unterhalten, denn ich bin noch viel zu gebeutelt von den Ereignissen, um eine gute Gastgeberin sein zu können.«
»Winifred ... «, begann Roslyn zu widersprechen.
Doch ihre Ladyschaft hob eine Hand. »Du solltest ein Glas Wein trinken, meine Liebe. Ich bin sicher, dass auch deine Nerven nach dem schrecklichen Vorfall etwas angegriffen sind. Wir sehen uns morgen früh.«
Mit diesen Worten drehte Lady Freemantle sich um, ging die geschwungene Treppe hinauf und ließ Drew allein mit dem Butler und einer sehr verärgerten Roslyn Loring zurück.
Fünftes Kapitel
Ich stimme Lily voll und ganz zu: Winifreds, Kuppeliersuche sind schrecklich! Aber wenigstens konnte ich ihre unerwünschte Einmischung zu meinem Vorteil nutzen.
Roslyn an Fanny
Roslyn biss die Zähne zusammen und versuchte, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Anfangs hatte Winifreds ungewöhnliche Schwäche sie geängstigt, nun jedoch war sie schlicht verärgert, denn es war offensichtlich, dass ihre Ladyschaft wieder einmal entschlossen war, sie dem Duke aufzudrängen.
Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und hoffte, er wusste, dass sie nichts mit Winifreds unglaublichem Gebaren zu tun hatte.
Weitere Kostenlose Bücher