Glut der Versuchung
zu katalogisieren, die der Earl of Danvers und seine neue Countess erhalten hatten.
Bis ihre Schwester eine Weile später hereinkam, hatte Roslyn schon gute Fortschritte gemacht. Lily hatte hochrote Wangen und heruntergezogene Mundwinkel.
»Was ist mit dir? «, fragte Roslyn besorgt.
»Nichts, jedenfalls nichts, worüber ich reden will«, antwortete Lily geheimnisvoll. Sie sah Roslyn an. »Was ist mit dir, Rose? Tess und ich waren entsetzt, als wir heute Morgen deine Nachricht erhielten, in der du erklärtest, weshalb du letzte Nacht bei Winifred geblieben bist. Wir fuhren nach Freemantle Park, aber du warst gerade weg, und Winifred erzählte uns alles von dem Überfall. Es hört sich an, als wärst du sehr mutig gewesen. «
»Ich war halb von Sinnen vor Angst«, erwiderte Roslyn. »Aber wenigstens kam niemand zu Schaden.«
»Abgesehen von dem Schurken. Sie sagten, Hickings hätte bereits veranlasst, dass nach einem Verwundeten gesucht wird.«
Roslyn nickte. »Ja, obwohl wir keine große Hoffnung haben, dass man ihn findet. « Wieder sah sie ihre Schwester an, von deren üblicher Lebhaftigkeit heute nichts zu erkennen war. »Bist du sicher, dass es dir gut geht? Du siehst aus, als hätte dich irgendwas sehr aufgebracht.«
»Ich bin nicht aufgebracht. Ich habe bloß leichte Kopfschmerzen, und die Fahrt in Tess' Wagen hat sie nicht unbedingt gelindert.«
»Möchtest du dich setzen und eine Tasse Tee trinken? Mrs Simpkin hat eben eine frische Kanne gebracht.«
»Du denkst immer, dass Tee alles besser macht«, beklagte Lily sich, sank aber dennoch neben Roslyn auf das kleine Sofa. »Ein Schluck von Marcus' Brandy wäre jetzt hilfreicher.«
»Es ist viel zu früh für Brandy - ganz abgesehen davon, dass eine Dame solch Hochprozentiges ohnehin nicht trinken sollte.«
»Du hörst dich an wie Arabella.«
Roslyn musterte ihre jüngere Schwester. »Arabella ist besorgt, und das zu Recht, da du zu einem kleinen Teufelsbraten herangewachsen bist.«
Diese Bemerkung schien Lilys düstere Stimmung ein wenig zu mildern, denn sie lächelte tatsächlich. »Ich weiß. Aber ich möchte nun einmal nicht vorgeben, eine Lady zu sein. «
»Trotzdem bist du eine. Und soweit ich mich entsinne, magst du Brandy gar nicht. «
»Stimmt, ich habe ja auch bloß gesagt, dass er gut gegen meine Kopfschmerzen wäre. « Mit einem reumütigen Grinsen beugte Lily sich vor und schenkte sich eine Tasse Tee ein. »Ich fürchte, ich habe es bei der Feier gestern übertrieben. Eigentlich sollte ich wissen, wie schnell ich einen Schwips bekomme, sogar von Champagner. Und doch habe ich gestern drei Gläser getrunken, weil ich so traurig war, Arabella zu verlieren. Diese Unvernunft rächt sich heute.«
»Ist das alles, was dir fehlt, Lily?«, fragte Roslyn und wunderte sich, als ihre Schwester noch röter wurde.
»Nun ja, vielleicht nicht alles Winifred treibt mich immer noch zur Verzweiflung mit ihren aberwitzigen Versuchen, Ehen zu stiften.«
Ach weiß«, pflichtete Roslyn ihr aus tiefstem Herzen bei. »Gestern Abend und auch heute Morgen hatte sie mich zum Ziel erkoren. Du hattest Recht, sie will mich unbedingt mit Arden verkuppeln, was unsagbar peinlich war.«
»Also, was mich betrifft, habe ich nicht vor, hier zu bleiben und Winifreds wehrloses Opfer zu mimen«, erklärte Lily entschlossen. »Ich plane, nach London zu fahren und in Fannys Privatpension Zuflucht zu suchen. Sie hat noch Zimmer frei und bat mich, ihre beiden Freundinnen zu unterstützen, die ihr Gästehaus führen. Ich weiß nicht, ob ich ihnen eine große Hilfe sein kann, will es aber gern versuchen.«
Roslyn sah Lily überrascht an. »Du willst dich in London verstecken, um Winifred zu entkommen? Ist das nicht ein wenig übertrieben?«
Lily verzog das Gesicht. »So mutet es an, aber ich halte es dennoch für unumgänglich. Und wenn ich nicht aufzufinden bin, brauche ich mich auch nicht vor unerwünschten Verehrern zu fürchten, nicht wahr? In Chiswick jedenfalls kann ich nicht bleiben. Und bei Fanny wird mich niemand vermuten, nicht einmal Marcus, zum Glück. Er wäre gewiss nicht angetan ... « Auf einmal wurde Lilys Ton hörbar fröhlicher. »Ich hab's! Du kannst Winifred und allen anderen, die fragen, erzählen, ich wäre nach Hampshire gereist, um Freunde in unserer alten Heimat zu besuchen.«
Verwundert kräuselte Roslyn die Stirn. »Warum. willst du sie glauben machen ... «
»Bitte, Roslyn, tu das für mich.«
Roslyn fragte sich, ob Anlass zur Sorge bestünde,
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