Glut in samtbraunen Augen
meinem Onkel breche? Ihr leiblicher Vater interessiert sich doch gar nicht für sie, er hat sich all die Jahre nicht bei meiner Schwester gemeldet, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen. Dass er sie jetzt plötzlich zu sich holen will, liegt gewiss nicht daran, dass ihm ganz plötzlich väterliche Gefühle gekommen sind. Alles, wofür Carl Mason sich interessiert, ist Geld.“ Aufschluchzend barg sie das Gesicht in den Händen, dann sah sie die ältere Frau an. „Ich bin es meiner Schwester schuldig, dass ich alles für ihre Tochter tue, Giovanna. Michelle war immer für mich da, doch als ich nach dem Unfall damals erfuhr, dass ich niemals würde Kinder bekommen können …“ Ihr versagte die Stimme.
„Sie waren neidisch auf sie, richtig?“ Die Hausangestellte nickte wissend. „Da waren einerseits Sie, die mit dieser schrecklichen Nachricht leben mussten, und zum anderen Ihre Schwester, völlig gesund und schon bald darauf glückliche Mutter einer bezaubernden Tochter.“
Vanessa nickte. „Ich habe Michelle Unrecht getan, ich weiß es. Sie war doch schließlich die Letzte, die etwas dafür konnte! Und trotzdem war ich eifersüchtig, weil sie hatte, was ich niemals bekommen würde. Ich glaube, ich habe erst begriffen, wie selbstsüchtig ich mich verhalten habe, als meine Schwester kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes, das tot zur Welt kam, starb. Aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen, das ist leider so. Und genau deshalb liegt mir so viel daran, ihre Tochter zu schützen.“
„Umso dringender müssen Sie mit Signor Cesare sprechen. Er wird es verstehen, wenn Sie ihm Ihre Beweggründe schildern, und er kann Ihnen sicher helfen. Wenn dieser Carl Mason wirklich nur auf Geld aus ist, dann kümmert es ihn wahrscheinlich auch herzlich wenig, von wem er es erhält.“
Vanessa stutzte. „Sie meinen, Cesare würde …?“
„Ich kann nur sagen, dass Signor Cesare einer der großzügigsten und gutmütigsten Menschen ist, die ich kenne. Er wird Ihnen verzeihen, wenn Sie ihm erklären, welches Unrecht Ihnen und Ihrer kleinen Nichte zugefügt worden ist. Und ich bin sicher, dass er Ihnen helfen wird.“
Ein winziger Hoffnungsschimmer flackerte in Vanessa auf. Sollte es möglich sein, das Giovanna recht hatte? Sie selbst war überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, Cesare ins Vertrauen zu ziehen. Zuerst, weil sie ihn als ihren Feind betrachtet hatte, und später, weil sie fürchtete, er würde zu ihrem Onkel gehen und ihn zur Rede stellen, wenn er davon erfuhr. Aber inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er niemals das Schicksal eines kleines Mädchens aufs Spiel setzen würde, ganz gleich, wie wütend er auch sein mochte.
Und außerdem blieb ihr ohnehin keine Wahl. Sie liebte Cesare, und deshalb konnte sie ihm die Wahrheit keinen Tag länger vorenthalten.
Zur selben Zeit blätterte Cesare in einigen Unterlagen, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, ohne deren Inhalt wirklich in sich aufzunehmen. So ging es schon den ganzen Tag. Er konnte sich einfach nicht auf die Arbeit konzentrieren, ganz gleich, wie sehr er es auch versuchte. Seine Gedanken wanderten immer wieder zurück zu einer ganz bestimmten Person.
Vanessa.
Frustrierte seufzend stand er auf und trat ans Fenster. Starr blickte er nach draußen. Was ist bloß mit dir los? Seit wann lässt du dich von einer Frau so aus dem Konzept bringen?
Sobald er an sie dachte, überkam ihn eine eigentümliche Sehnsucht, die ihn selbst irritierte und sogar ein wenig erschreckte. Sollte er tatsächlich Gefühle für diese Frau entwickelt haben, die er nur aus einem einzigen Grund geheiratet hatte: um Fatto in CaSa zurückzugewinnen?
Im ersten Moment wollte er diesen geradezu lächerlichen Gedanken strikt von sich weisen, doch dann zögerte er. Anfangs hatte er vor allem deshalb ihre Gesellschaft gesucht, um ihrer Zweckehe nach außen hin einen Anstrich von Glaubhaftigkeit zu geben. Aber verbrachte er inzwischen nicht einfach nur Zeit mit ihr, weil er selbst es wollte? Weil er sich in ihrer Gegenwart so lebendig und glücklich fühlte wie schon lange nicht mehr?
Weil er sie liebte?
Es überraschte ihn selbst, dass diese Erkenntnis ihn nicht schockierte. Im Grunde seines Herzens hatte er es vermutlich längst gewusst und war einfach nur noch nicht bereit gewesen, es sich selbst einzugestehen.
Ja, es stimmte: Er hatte sie lediglich geheiratet, um die Firma, die seinem Vater von ihrem Onkel auf betrügerische Weise entrissen worden
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