Glut und Asche
gesehen haben, Andrej«, fuhr Frederic fort. Etwas wie wide r willige Anerkennung war in seiner Stimme zu hören, vielleicht auch nur eine andere Art von Hohn.
Andrej ließ seinen Säbel zwar noch etwas weiter sinken, ließ zugleich aber in se iner Konzentration nicht im All ermindesten nach. Er verschwendete keinen Blick auf die Vampyre hinter sich, doch das war auch nicht notwendig. Es reichte ihm allein das, was er hörte, roch und spürte. Einer der Vampyre war noch immer damit beschäftigt, das Atmen neu zu lernen, und das noch für eine geraume Weile, doch die beiden anderen waren nach wie vor gefährlich. Einer von ihnen war ebenso alt wie er, wenn nicht älter, und damit auch genauso geübt im Umgang mit seinen Waffen, auch der dritte war kein Anfänger. Dennoch verspürte er immer noch keine Angst, nicht einmal Unsiche r heit. In ihm war eine Kraft, die einfach nicht überwunden we r den konnte.
»Ja, Bescheidenheit war noch nie einer deiner großen Fe h ler«, spöttelte Frederic, der auch jetzt wieder seine Gedanken gelesen hatte. »Aber manchmal gehen Mut und Leichtsinn so eng Hand in Hand, dass man sie kaum noch unterscheiden kann.« Und dann ließ er, kaum für die Dauer eines Lidschlages, die doch zu einer schieren Ewigkeit zu werden schien, den Schild fallen, den er zwischen sich und dem Rest der Welt e r richtet hatte, und gewährte Andrej einen Blick auf das, was er wirklich war.
Da war kaum noch etwas Menschliches in ihm. Andrej hatte erwartet - nein, etwas in ihm hatte es verzweifelt gehofft-, nichts mehr von Frederic vorzufinden, sondern nur noch Dracul und vielleicht ein Echo all der zahllosen Seelen, die dieser in den zurückliegenden Jahrhunderten verzehrt hatte, doch Fred e ric war da, sogar mächtiger und boshafter denn je. Aber er hatte sich verändert und war zu ... etwas anderem geworden, einem düsteren, Furcht einflößenden Ding, kälter als der Tod und vo l ler Hass und Niedertracht. Da war nichts Menschliches mehr in ihm, nichts Vertrautes, sondern nur noch Gier Und es war stark.
Andrej taumelte einen halben Schritt zurück, von der bloßen Präsenz der Kreatur getroffen wie von einem Fausthieb, und das Ding, das einmal Frederic gewesen war, stieß ein dumpfes, kehliges Lachen aus - ein grausiges Geräusch, das nichts Frö h liches an sich hatte.
»Andrej«, rief er mit einer dünnen, verzweifelten Kinde r stimme. »Hilf mir! Lass mich nicht schon wieder im Stich!«
Einer der Vampyre drang in einer blitzschnellen Attacke auf ihn ein, doch Andrej wich ihm ohne die geringste Mühe aus, ließ ihn über sein vorgestrecktes Bein stolpern und fügte ihm eine tiefe Stichwunde zu. Er stürzte nicht, prallte aber ung e schickt und mit einem zischenden Schmerzenslaut gegen die zinnenbewehrte Brüstung, die dem Dach etwas von einer frü h mittelalterlichen Burg verlieh, und krümmte sich. Andrej übe r legte kurz, ihm nachzusetzen und es zu Ende zu bringen, ve r warf den Gedanken aber auch augenblicklich wieder, als ihm klar wurde, dass genau das der Zweck des plötzlichen Angriffs gewesen war: ihn abzulenken und lange genug zu beschäftigen, damit die beiden anderen ihm in den Rücken fallen konnten.
»Ja, es ist so, wie ich es mir schon gedacht habe, Andrej«, spöttelte Frederic hinter ihm. »Du hast wahrlich viel gelernt, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.« Er hatte seine Ma s ke erneut gehoben und sprach auch wieder mit dünner, falsch betonter Kinderstimme. Als Andrej sich zu ihm herumdrehte, waren seine Hände nicht mehr leer Er hatte das schartige Me s ser mit der abgebrochenen Klinge gezogen, das Andrej schon am ersten Tag bei ihm gesehen hatte. »Schade nur, dass es dir nicht helfen wird.«
Damit trat er vor, zog das Messer fast gemächlich über A n drejs Oberschenkel, beinahe bis auf den Knochen. Die Wunde blutete heftig und schmerzte entsetzlich, aber dieser Schmerz war z u gleich auch sonderbar irreal, als wäre es gar nicht sein eigener, sondern der Schmerz eines anderen. Und so schlimm er auch war, zog er zugleich auch Kraft daraus, denn er war süß und erquickend, und zum allerersten Mal begann er zu begre i fen, was wirklich dafür verantwortlich war, dass andere von Schmerz und Leid angezogen wurden wie Fliegen von Aas. Es war die ultimative Labung, ein Quell ungeheurer, nie versi e gender Kraft, der ihm unerschöpfliche Stärke spendete. Er legte die Hand auf die Wunde und spürte, wie das Blut versiegte - und schon kurz darauf begann sich die Wunde zu
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