Glut und Asche
schließen. Schließlich war sie verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
Seltsamerweise nutzten die Vampyre den Moment nicht, um ihn abermals anzugreifen, obwohl er abgelenkt war und sich ihre Chancen, ihn zu überwältigen, verdoppelt hätten.
Und wenn es gar nicht sein Tod war, den sie wollten?
Andrej schüttelte den Gedanken ab. »Was w ills t du ? « , fragte er.
»Das ist eine gute Frage«, antwortete Fred und runzelte a n gestrengt die Stirn. Fast beiläufig versu c ht Andrej abermals zu schneiden, aber diesmal w ic h d ieser dem plumpen A ngriff nicht nur aus, sondern sc hlug i hm das Messer so wuchtig aus der Hand, dass es d avo nfl o g und scheppernd in der Dunkelheit verschwand . Frederic keuchte vor Schmerz, prallte zurück und umklammerte sein gebrochenes Handgelenk mit der and e ren Hand.
Tränen sch o ssen ihm in die Augen, und für einen Augenblick wurde er wieder zu dem verängstigten Kind, als das er ihn ke n nengelernt hatte. Sie waren wieder in Borsa, und er irrte durch die toten Gänge und Hallen der Bauernburg, die zum Grab für seine Familie und jeden geworden war, den er gekannt hatte. Seid Ihr der Tod, Herr?, flüsterte Frederic.
»Was ... willst du von mir?«, brachte er mit zitternder Sti m me heraus. »Wenn du mich töten willst, dann tu es.« Er ließ den Säbel endgültig sinken. »Ich werde mich nicht wehren.«
»Dich töten?« Wenn Frederics Erstaunen gespielt war, dann perfekt. »Ich will nicht deinen Tod, Andrej. Wenn es das wäre, was ich wollte, hätte ich es schon vor einem Jahrhundert haben können oder zwei.«
»Was dann?«, fragte Andrej. Alles drehte sich um ihn, wurde unwirklich, verdreht. Er war noch immer in der verheerten Bauern bürg, roch den süßlichen Leichengestank, der sich über ganz Borsa ausgebreitet hatte und auch das wenige Leben zu ersticken drohte, das in dem kleinen Ort noch verblieben war.
»Was willst du?«, fragte er noch einmal. Die Vampyre k a men näher. Er konnte die Schärfe ihrer Klingen riechen und spürte den brodelnden schwarzen Sumpf, der die Stelle ihrer Seelen eingenommen hatte. Seine Hand schloss sich fester um den Griff des Säbels, aber es war nur ein bloßer Reflex. Wah r scheinlich war er stark genug, selbst gegen diese dreifache Übermacht zu bestehen, aber er würde sich nicht mehr verte i digen.
Seine Hand ließ den Säbel los, der klirrend zu Boden fiel.
»Ich sehe, du beginnst zu begreifen, Hexenmeister«, sagte Frederic. »Aber ich will dir trotzdem sagen, was ich will. Dich, Andrej.«
»Das wolltest du von Anfang an, nicht wahr?«
Und ganz plötzlich - endlich! - begriff er die volle Wahrheit. Ein leises, gequältes Stöhnen kam über seine Lippen, ein Laut so unsäglicher Pein, wie er sie nie zuvor verspürt hatte, ta u sendmal schlimmer als alles, was Marcus ihm mit glühenden Zangen und Messern angetan hatte. »Du warst es«, murmelte er »Du hast sie nach Borsa gebracht.«
»Ja«, bestätigte Frederic.
»Aber warum?«
Frederic lachte leise, machte dann aber ein betrübtes Gesicht und wechselte wieder zu einer weinerlichen Kinderstimme. »Aber ich war doch noch ein Kind damals, Andrej. Ich wusste doch nicht, was ich tat.«
»Warum?«, fragte Andrej noch einmal. Kaltes Entsetzen b e gann sich in ihm auszubreiten.
»Ich war nur ein dummes, hilfloses Kind. Aber du hast mir geholfen, erwachsen zu werden.« Frederic weidete sich ganz u n verhohlen an seiner Qual, dann bückte er sich, hob den Säbel auf, den er fallen gelassen hatte, und hielt ihm die Waffe hin, mit dem Griff voran. »Ich will nicht deinen Tod, Andrej«, sagte er noch einmal. »Das wollte ich nie.«
Er machte eine auffordernde Geste, nach dem Säbel zu gre i fen, und nach einem kurzen Zögern gehorchte Andrej. Die Waffe fühlte sich falsch in seiner Hand an, auf sonderbare Weise fremd, wie etwas, mit dem er nicht wirklich etwas anz u fangen wusste.
»Komm mit, Andrej«, sagte Frederic. »Ich habe ein G e schenk für dich.« So ruhig, als wäre er sicher, dass Andrej die Waffe in seiner Hand nicht benutzen würde, drehte er sich um und begab sich auf die andere Seite des Daches. Andrej folgte ihm, und auch die vier Vampyre schl o ssen sich ihnen an, wie Gespenster, die in unzählige tanzende Schatten zerfaserten.
»Wenn man es genau nimmt«, fuhr Frederic fort, in leicht amüsiertem Ton und ohne sich zu ihm umzudrehen, »habe ich sogar zwei Geschenke für dich ... auch wenn du an dem einen nicht ganz unbeteiligt gewesen bist.« Er hielt inne,
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