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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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waren schon lange zu formlosen Schlackeskulpturen verkohlt, und noch ungleich mehr mussten bereits gesunken sein, zu Tode s fallen und schwimmenden Särgen für die geworden, die die Rettung in ihnen gesehen hatten. Nur ein kleines Stück entfernt driftete ein brennender Zweimaster auf den Wellen, der bereits deutliche Schlagseite hatte, und hier und da stiegen Schwärme faustgr o ßer Blasen an die Wasseroberfläche und zerplatzten zu grauem Dampf, als hätte irgendetwas in der Tiefe des Flusses selbst Feuer gefangen und würde ihn zum Kochen bringen. »Nicht im Fluss, Andrej«, sagte Meruhe, »aber darunter Die Kanalisation brennt. Mancherorts sind Petroleum oder Öl au s gelaufen, und andernorts haben sich gefährliche Gase gebildet, die Feuer g e fangen haben. Londons Unterwelt brennt.«
    »Aha«, sagte Abu Dun. »Und womit haben wir diesen höchst interessanten Vortrag verdient?«
    Meruhe warf ihm einen schrägen Blick zu und ging weiter, ohne seine Frage zu beantworten. Abu Dun zog ein beleidigtes Gesicht. Andrej dankte ihm im Stillen für sein Schweigen. Er war müde wie nie zuvor im Leben, jeder Schritt schien ihm ein winziges bisschen schwerer zu fallen als der davor, und ihm war nicht nach Abu Duns Scherzen. Alles, was er wollte und jetzt brauchte, war ein wenig Ruhe. Seine Kräfte ließen mit t lerweile rapide nach, und zumindest Meruhe schien das nicht verborgen zu bleiben, den immer besorgter werdenden Blicken nach zu schließen, die sie ihm zuwarf. Er hoffte, dass er w e nigstens die Strecke bis zum Star Irin noch durchhalten würde.
    Nach all der Zerstörung, die sie auf dem Weg hierher begle i tet hatte, bot das Star Irin einen schon fast unheimlich normalen Anblick. Nichts schien sich verändert zu haben, seit Abu Dun und er das letzte Mal hier gewesen waren: Selbst der dunkle Fleck, wo der unglückselige Jack von der Höhe der Brücke herabgestürzt war, war noch deutlich zu sehen: Ni e mand hatte sich die Mühe gemacht, ihn zu entfernen.
    »Und hier warten deine Freunde auf uns?«, fragte Abu Dun zweifelnd. Auch für Andrejs Geschmack kam Meruhes Antwort gerade eine Winzigkeit zu spät, um wirklich zu überzeugen.
    »Ich hoffe es«, sagte sie, schüttelte dann den Kopf und ve r besserte sich: »Sicher. Das ist unser Treffpunkt.«
    Auch das war nicht genau die Antwort, auf die Abu Dun a n scheinend gewartet hatte, denn der Nubier setzte zu einer o f fenbar schärferen Erwiderung an, doch Andrej schüttelte mit einem mahnenden Blick rasch den Kopf. Wenn Meruhe ihnen etwas zu sagen hatte, würde sie das tun, und wenn nicht, würde sie es bleiben lassen, so einfach war das.
    Fast zögerlich betraten sie das Gasthaus. Andrej hatte nicht erwartet, dass sich die Einwohner Londons in Scharen zusa m menfanden und ein Bier tranken, während rings um sie herum die Stadt in Schutt und Asche versank, aber das Star Inn war vollkommen leer. Nicht einmal der Wirt stand hinter seiner Theke, und Andrejs scharfe Sinne verrieten ihm, dass auch der Rest des zweieinhalbgeschossigen Gebäudes verlassen war.
    »Deine Freunde sind nicht da«, stellte Abu Dun überflüss i gerweise fest. Meruhe ignorierte ihn, ging mit raschen Schritten hinter die schmuddelige Theke und entzündete ein halbes Du t zend Kerzen, die den verwaisten Schankraum in tanzendes ge l bes Licht tauchten. »Möchtet ihr etwas trinken?«
    Abu Dun machte ein erstauntes Gesicht. »Du hast uns gar nicht gesagt, dass du eine neue Anstellung gefunden hast«, sa g te er. »Zahlt der Wirt hier wenigstens gut, oder lebst du haup t sächlich vom Trinkgeld?«
    Meruhe ignorierte die Spitze, schenkte drei Becher Bier ein und leerte ihren in einem einzigen, gewaltigen Zug. Das nötigte Abu Dun Anerkennung ab, und er versuchte es ihr gleichzutun, während Andrej nur vorsichtig an seinem Becher nippte. Das Bier war warm und schmeckte so schal, als hätte es eine Woche in einem offenen Krug gestanden. Wahrscheinlich hatte es das.
    »Gibt es irgendeinen bestimmten Grund, aus dem du nicht auf meine Frage antwortest?«, fragte Abu Dun, nachdem er sich den Schaum von den Lippen geleckt und kurz und angewidert das Gesicht verzogen hatte.
    »Welche Frage?«, gab Meruhe mit einem unschuldigen L ä cheln zurück.
    »Ich dachte, du liest meine Gedanken«, erwiderte Abu Dun.
    »Hattest du mich nicht gebeten, es nicht mehr zu tun?«
    Abu Duns Gesicht verfinsterte sich, und Meruhe hob rasch und besänftigend die Hand und füllte dann mit derselben den B e cher des Nubiers nach.

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