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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihr zur Seite wichen. Mit Erstaunen sah er, dass es ausgerechnet der Wirt war, der - wenn auch sichtlich nervös - die Schultern straffte und wenigstens den Versuch unternahm, mit grimm i gem Gesicht Haltung anzunehmen.
    »Es tut mir leid, Madam«, begann er, »aber solche wie euch ...« Er brach ab und wurde blass, als die Nubierin die Hand so schnell hob, dass sie dabei zu einem Schatten zu werden schien, und eine Anzahl kleiner Münzen auf die Theke vor ihm fallen ließ. Mit der anderen Hand deutete sie auf den Tisch, an dem Abu Dun und er saßen, dann drehte sie sich wortlos um und trat wieder an die Seite ihrer Schwester zurück. Nur einen Moment später wurde die Tür abermals geöffnet, und eine dritte, ebe n falls ganz in Schwarz gekleidete Gestalt trat ein. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, denn sie trug einen Mantel mit einer weit nach vorne gezogenen Kapuze, unter der nichts als Scha t ten zu sein schienen. Andrej fühlte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann.
    Die drei Gestalten kamen langsam auf Abu Dun und ihn zu. Die Männer, die noch vor einem Augenblick nur auf einen Vorwand gewartet hatten, sich auf den Nubier und ihn zu stü r zen, machten ihnen respektvoll Platz, und nicht w e nige sahen auch verstohlen zur Tür, als suchten sie nach einem Vorwand, das Star Irin zu verlassen. Noch mehr hatten die Hände auf die Griffe ihrer Schwerter gesenkt oder spielten nervös mit den Musketen, mit denen einige von ihnen bewaffnet waren. Dann machte die Gestalt in dem schwarzen Kapuzenmantel eine r a sche, kaum sichtbare Handbewegung und ... e t was geschah. Andrej konnte das Gefühl nicht wirklich in Worte kleiden, aber er spürte die Veränderung trotzdem ganz deutlich. Und nur kurze Zeit später konnte er sie auch sehen und hören. Die Spannung wich. Die Männer wandten sich wieder ihren G e sprächen zu, das Lachen und Scherzen hob von Neuem an, und der Wirt begann, hinter seiner Theke einen weiteren Bie r krug zu füllen, als wäre nichts geschehen. Die Gestalt in dem schwarzen Kapuzenmantel drehte sich einmal um sich selbst, als ließe sie den Blick ihrer unsichtbaren Augen durch den Raum wandern, und obwohl Andrej ihr Gesicht immer noch nicht erkennen konnte (als ob er das gemusst hätte!) spürte er doch ihre Zufriedenheit. Dann zog sie sich einen Stuhl heran und ließ sich so darauf niedersinken, dass sie Abu Dun und ihn gleichzeitig ansehen konnte. Die beiden Kriegerinnen nahmen rechts und links hinter ihr Aufstellung und schienen zu leblosen Statuen zu erstarren. Beinahe hatte Andrej das Gefühl, dass sie in Wahrheit auch nicht viel mehr waren.
    »Abu Dun«, drang eine Stimme aus der Dunkelheit unter der Kapuze hervor »Andrej Delany . Es ist lange her.«
    Abu Duns Gesicht zeigte keine Spur von Überraschung. Er hatte die Stimme erkannt. Andrej fragte sich, warum es ihm selber vergangene Nacht nicht gelungen war, doch er wusste sogleich auch die Antwort: Weil die Gestalt dafür gesorgt hatte.
    Dennoch betrübte ihn der Gedanke. Er hätte sie trotzdem e r kennen müssen.
    Die Gestalt hob die Hand und schlug die Kapuze zurück. Das Gesicht, das darunter zum Vorschein kam, war ebenso schwarz wie das der beiden Kriegerinnen und Abu Duns, wirkte aber ein wenig älter und zugleich auf eine unbestimmbare Weise alter s los, als existiere seine Besitzerin neben der Zeit, in einer Welt, der das Verstreichen der Jahrhunderte nichts anzuhaben ve r mochte.
    »Meruhe«, sagte Andrej. Der bittere Unterton in seiner Stimme erschreckte ihn selbst. So viel Zeit war vergangen. Konnte ein Schmerz so lange in einem ruhen, ohne sich b e merkbar zu machen, und nach einem Jahrhundert wieder erw a chen und genau so schlimm sein wie am ersten Tag?
    Ja.
    »Wie ich sehe, hast du deine Vorliebe für dramatische Au f tritte nicht eingebüßt«, sagte Abu Dun. Auch in seiner Stimme schwang etwas mit, das nicht dorthin gehörte, dachte Andrej. Aber es war etwas anderes als die Bitterkeit, die er bei sich selbst wahrgenommen hatte.
    Meruhe lächelte flüchtig. »Alte Angewohnheiten lassen sich schlecht ablegen, mein Freund«, antwortete sie. »Auch wenn ich in diesem speziellen Fall eine Entschuldigung habe.« Sie wandte sich - betont langsam - ganz zu Andrej um, wollte etwas sagen und tat es dann doch nicht, als der Wirt an ihren Tisch trat und einen Krug Wein und einen fein ziselierten Becher aus Silber □der polie r tem Zinn vor ihr abstellte. Andrej dachte noch einmal an die kurze Szene, die sich gerade abgespielt hatte,

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