Glut und Asche
stecken dahinter? Aber warum?«
Andrej hoffte sogar, dass es nur Loki und seine Freunde w a ren. Und warum? »Hast du noch den Zettel, den Frederic dir geg e ben hat?«, fragte er.
»Ben«, korrigierte ihn Abu Dun. »Sein Name ist Ben. Und ja, ich habe ihn noch.«
»Das ist gut«, sagte Andrej. »Dann gehen wir doch einfach zu unserer Verabredung und fragen ihn.«
Kapitel 10
B i s Mitternacht war noch fast eine Stunde, wie Ihnen das Schlagen des gewaltigen Uhrwerks auf der anderen Seite des Flusses verraten hatte.
Sie hatten es sich schon lange zu eigen gemacht, zu Vera b redungen wie dieser zu früh zu erscheinen. Nicht, dass sich Andrej einbildete, es würde Ihnen In diesem speziellen Fall e t was nutzen. Abu Dun und er konnten sich mit Fug und Recht als Meister der Hinterhalte und Fallen bezeichnen ... aber was half schon der raffinierteste Hinterhalt, wenn man Ihn jema n dem zu stellen versuchte, der Ihre Gedanken lesen konnte?
Andrej brachte die ebenso leise wie hartnäckig flüsternde Stimme hinter seiner Stirn mit einiger Mühe zum Schwelgen und versuchte, sich stattdessen auf Ihre Umgebung zu konzen t rieren. Der Anblick war deprimierend genug, auch ohne dass die Szenerie noch zusätzlich eines verrückten Göttersprösslings bedurft hätte, der Ihnen nach dem Leben trachtete.
Sie waren ein gutes Stück vom Westminster entfernt, noch lange nicht In einem der noblen Viertel, der vermeintlich a n ständigen Seite der Stadt, aber vornehmer als das ärmliche A r beiterviertel, In dem Miss Torrents schäbige Pension lag. Das Schlagen der riesigen Uhr -die Einheimischen nannten sie Big Ben, meinte er sich zu erinnern - war nicht das Einzige, das von der Nähe des Königspalastes und der prachtvollen Bauten kü n dete, die In seiner Umgebung entstanden waren. Tagsüber mochten die schmalen Straßen zwischen den strohgedeckten Fachwerkhäusern mit Ihren überhängenden Stockwe r ken und den schmalen Fenstern tatsächlich freundlicher auss e hen - vielleicht eine Spur (nicht viel) sauberer und ein (klein) wenig prachtvoller -, aber jetzt, In der Nacht, die alle Farben au s löschte und den Schatten mehr Bedeutung verlieh als dem Licht, wirkte alles eng und so bedr ü ckend, dass es einem den Atem nahm. In der Luft hing ein erbärmlicher Gestank, der Zweifel In Ihm aufkommen ließ, dass so scharfe Sinne wie die Ihren tatsächlich Immer ein Segen waren, und etwas ... Erwa r tungsvolles schien über der Stadt zu schweben. Es war keine gute Erwartung.
Andrej fragte sich, ob Meruhe Ihm vielleicht ein Geschenk gemacht hatte, das er ganz gewiss nicht haben wollte. Was, wenn er tatsächlich einen Blick In die Zukunft getan hatte?
Er verscheuchte auch diesen Gedanken und wandte sich mit einem übertriebenen Stirnrunzeln an Abu Dun. »Und du bist wirklich sicher, dass das die richtige Adresse Ist?«
Abu Dun spielte das Spiel mit, Indem er den zerknitterten Zettel aus einer der zahllosen Taschen seines Mantels ausgrub und nicht nur so tat, als hätte er Mühe, die Schrift bei dem schlechten Licht zu entziffern, sondern anschließend auch die schmalen Häuser auf der anderen Seite der Straße eines nach dem anderen aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Zweifellos, dachte Andrej, hatten die Häuser in dieser Straße Nummern, aber ebenso offensichtlich hatte es nicht einer ihrer Bewohner für nötig befunden, diese Nummern auf irgendeine Art und Weise anzuschlagen oder sonst wie kenntlich zu m a chen.
»Ja«, sagte Abu Dun trotzdem. »Das hier ist das Bäckervie r tel.«
»Hm«, machte Andrej. »Und warum heißt es dann Pudding Street?«
»Das weiß ich auch nicht«, gestand Abu Dun und runzelte übertrieben nachdenklich die Stirn. »Andererseits ... vielleicht hat es mit diesem Plumpudding zu tun ... was immer das sein mag.« Er schürzte die Lippen und funkelte Andrej amüsiert an, deutete aber dann sofort auf ein dreigeschossiges Haus nur ein knappes Dutzend Schritte entfernt. Ohne ein weiteres Wort und vollkommen lautlos huschten sie los. Abu Dun erreichte das Gebäude als Erster, ließ eine seiner gewaltigen Pranken auf die Klinke hinabfallen und verzichtete - beinahe zu Andrejs E r staunen - darauf, sie mitsamt der Tür aus dem Rahmen zu re i ßen, als er sie verschlossen vorfand.
»Ich werde wohl niem als verstehen, wie man etwas Pl umpudding nennen kann«, murmelte er halblaut, aber in so angestrengt-nachdenklichem Ton, als wäre die Antwort auf diese Frage gerade jetzt von allergrößter Wichtigkeit.
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