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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mehl oder einfach nur Unrat. Die Luft roch schlecht, verbraucht und nach verbrannter Hol z kohle und angebranntem Teig, und es war fast unmöglich, auch nur einen Schritt zu tun, ohne auf Irgendetwas zu treten oder Irgendwo anzustoßen. Das rötliche Schimmern kam von gleich drei großen Backöfen, die zwar aussahen, als würden sie vor allem von den Gebeten und guten Wünschen Ihres Besitzers zusammengehalten, dennoch aber alle drei noch brannten. Die Glut hinter den offen stehenden Klappen war zu winzigen Häufchen heruntergebrannt, zugleich aber so sorgsam g e schichtet, dass sie bis zum nächsten Morgen durchhalten würde -falls bis dahin hier drinnen nicht alle erstickt waren, dachte Andrej.
    »Was für ein Schweinestall«, murmelte Abu Dun. Er schnüffelte demonstrativ. »Und diese Stadt ist also das Herz eurer westlichen Zivilisation? Kein Wunder, dass eure Pfaffen so oft vom Weltuntergang und der ewigen Verdammnis reden. Sie müssen diesen Ort hier kennen.«
    Andrej wollte gerade antworten, als er ein Geräusch hörte. Er hob warnend die Hand, auch wenn es nicht wirklich notwendig gewesen wäre, denn auch Abu Dun war mitten in der Bew e gung erstarrt und hatte eine leicht geduckte, angespannte Ha l tung angenommen. Seine Hand lag auf seinem Gürtel, der u n glückseligerweise genauso leer war wie sein eigenen Vielleicht war es kein Fehler gewesen hierherzukommen, dachte Andrej, aber es unbewaffnet zu tun, war nicht klug gewesen.
    Schritte näherten sich, und der gelbe Schein einer Laterne tanzte die Treppe herunter Abu Dun wich rasch an die Wand neben der Tür zurück und versuchte mit den Schatten zu ve r schmelzen, und Andrej ertappte sich dabei, instinktiv nach i r gendetwas Ausschau zu halten, das er als Waffe benutzen konnte. Alles, was er auf Anhieb sah, war eine mehlverklebte Teigrolle, aber damit wäre er sich nun doch zu albern vorg e kommen.
    Doch eine Waffe war nicht nötig. Schritte und Licht kamen rasch näher dann betrat Frederic die Backstube. Hinter ihm schien noch etwas zu sein, etwas wie ein flackernder Schatten, den er weder mit Blicken fixieren noch mit seinen anderen Sinnen wirklich erfassen konnte. Vielleicht war es ja wirklich nur ein Schatten.
    »Ihr seid zu früh«, sagte Frederic. Er sah müde aus. Das ge l be Licht beschien sein Gesicht von unten und legte es in Falten, als wäre er nicht zwölf, sondern zweihundert Jahre alt, und der Blick seiner Augen wirkte beinahe noch älter.
    »Wir sind nicht ...« Andrej machte eine ärgerliche Geste, mit der er aber hauptsächlich seine eigenen verwirrten Gedanken zu vertreiben versuchte. »Was tust du hier, verdammt noch mal? Du solltest London verlassen!«
    »Er wird nicht kommen«, sagte der Junge, als hätte er seine Worte gar nicht gehört. Seine Stimme klang flach und sonde r bar schleppend. »Ich soll euch sagen, dass er nicht kommen wird. Und ihr eure Chance hattet.«
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?«, polterte Abu Dun, während er mit einem Schritt aus dem Dunkel heraustrat und zornig eine Hand nach dem Jungen ausstreckte. Andrej spannte sich an, um ihn zurückzureißen, sollte es notwendig sein, doch Abu Dun hielt im letzten Moment inne, vielleicht, weil Frederic so vollkommen anders reagierte, als er erwartet haben mochte. Jeder andere an seiner Stelle - egal, ob Knabe oder Mann - wäre erschrocken zurückgeprallt oder wenigstens zusammengefa h ren, aber Frederic reagierte überhaupt nicht. Wie in Trance hob er den Kopf und sah den Nubier an. In seinen Augen war nicht einmal ein Schatten von Furcht zu erkennen.
    Aber wenn man es genau nahm, dachte Andrej schaudernd, dann war darin auch sonst nicht viel zu erkennen.
    Nicht einmal Leben.
    »Frederic?«, sagte er.
    Der Junge reagierte nicht. Er sah weiter zu Abu Dun hoch, doch Andrej erkannte nun, dass er den Nubier nicht wirklich ansah, sondern geradewegs durch ihn hindurch starrte. »Fred e ric?«, murmelte er noch einmal. Als er auch jetzt keine Antwort b e kam, versuchte er es noch einmal: »Ben?« Wieder erhielt er keine Antwort.
    »Hier stimmt etwas nicht, Hexenmeister?«, fragte Abu Dun.
    Andrej ignorierte ihn, ließ sich vor dem Jungen leicht in die Hocke sinken und versuchte seinen Blick einzufangen, aber es gelang ihm erst, nachdem er die Hand unter Frederics Kinn legte und ihn zwang, ihn anzusehen.
    »Verdammt noch mal, was hat er dir angetan, Frederic?«, fragte Andrej. Er versuchte, in den Jungen hineinzulauschen, und da ... war etwas. Er konnte nicht sagen, was,

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