Glut unter der Haut
ich bin Dr. A lexander. W ir haben schon miteinander telefoniert, hatten bislang aber noch nicht persönlich die Ehre. W ie geht es Ihnen?« Er machte keine A nstalten, ihr die Hand zu geben, und sie bot ihm ihre auch nicht an.
»Guten T ag, Dr. A lexander. W ie steht es um meinen Mann?«
Der A rzt senkte den Blick und starrte auf seine Schuhspitzen. »Ich kann leider nichts anderes sagen, als dass er sich in einem äußerst kritischen Zustand befindet. Er ist sich seit geraumer Zeit darüber im Klaren, dass der Krankheitsverlauf tödlich ist, aber er hat sich geweigert, sich von mir helfen zu lassen.«
»Warum?« , schluchzte Kathleen. »Gibt es irgendwas, das …«
»Das sollten Sie ihn besser selbst fragen, Mrs. Kirchoff.«
»Darf ich denn zu ihm?«
»Sicher. A ber nicht zu lange.«
»Aber Sie haben doch gesagt, ich könnte zu ihm, wenn Sie wieder rauskommen«, mischte sich Hazel ein, die außerhalb des schützenden Halbkreises stand, den die Männer um Kathleen gebildet hatten.
Dr. A lexander schien unsicher, was er darauf erwidern sollte. »Nun, Mrs. Kirchoff, Sie werden doch sicher nichts dagegen haben, wenn wir Ihrer Schwägerin den V ortritt lassen, oder?«
»Dann hätte sie schon die ganze Zeit hier sein und sich nicht auf einer Karibikinsel vergnügen sollen. W er war denn hier, T ag und Nacht? W er hat an seinem Bett gesessen? W er war für ihn da …?« Ihre Stimme erstarb und wurde zu einem heftigen verlogenen Schluchzen. Hazel wollte bis zum bitteren Ende ihre Rolle der aufopferungsvollen, liebenden Schwester spielen. Unter anderen Umständen hätte Kathleen ihr für so viel V erlogenheit die A ugen ausgekratzt.
Der A rzt, überzeugt, dass Hazel wirklich untröstlich war, führte sie davon. Kathleen öffnete die T ür zu Seths Zimmer. Fast automatisch bekam sie den Eindruck einer Folterkammer angesichts all der Geräte, die piepsend und blinkend Seths Körperfunktionen anzeigten. Es war ein makaberes Mobile aus Schläuchen, Infusionen und Flaschen.
Nur Seths A ugen, die er aufschlug, als er sie kommen hörte, waren ihr vertraut.
»Kathleen«, krächzte er und hob die Hand, um ihre zu ergreifen. »Du bist schon früher zurückgekommen. Ich wollte dir diesen A nblick doch ersparen.« Seine Züge wurden weicher, und er hatte Mühe, sich zusammenzunehmen, als er hinzufügte: »Aber ich bin froh, dass du trotzdem gekommen bist.«
Die T ränen rannen ihr in Strömen über das Gesicht, wo sie sich doch so sehr bemüht hatte, sie zurückzuhalten. »Seth. A ch, Seth, warum? W arum hast du mir nichts gesagt?«
»Was hätte das geändert? Du hättest dir nur Sorgen um mich gemacht und deine A rbeit im Geschäft vernachlässigt, die so viel wichtiger ist, als ich es bin.«
»Nein«, schluchzte sie leise. »Nichts ist so wichtig wie du.«
»O doch, Liebes. V ieles. Sehr vieles.« Er strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken. »Du zum Beispiel. Und die W erbekampagne. W ie ist es denn gelaufen? W ie geht es Erik? Ist er mit den A ufnahmen zufrieden?«
Sie nickte ungeduldig. »Ja, ja, sicher. Die Kampagne wird großartig. Genau wie du es wolltest. E… Erik geht es gut.« Sie musste heftig schlucken. »Seth, lass uns über etwas anderes reden. Lass uns darüber reden, wie Dr. A lexander dir helfen kann.«
»Kathleen, ich bin es einfach leid, allen eine Last zu sein. Ich bin es leid, ein Krüppel zu sein. W enn ich einer T ransplantation zustimme, raube ich vielleicht einem Kind oder einem anderen gesunden Menschen eine Niere. W ieso sollte ich etwas so Egoistisches tun? Selbst mit einer gesunden Niere wäre ich weiterhin querschnittsgelähmt. Ich will einfach nicht noch ein paar Jahre mit der Dialyse leben, denn der A usgang der Krankheit wäre derselbe.« Er drückte ihre Hand fest an seine Brust und sah ihr in die tränenerfüllten A ugen, als er hinzufügte: »Ich werde bald wieder ganz gesund und wohlauf sein, Kathleen. V erstehst du, wie ich das meine? Ich freue mich darauf. Ich will es so, Kathleen.«
»Seth!« Sie brach schluchzend auf seiner Brust zusammen, vergrub ihr Gesicht in der Beuge seines Halses und weinte ihren Kummer, ihre Scham und Schuldgefühle heraus, während er sie tröstete.
Die Sonne stieg am Himmel empor; ein neuer T ag brach an. Doch Kathleen nahm keine Notiz davon. Nur wenn sie gezwungen war, etwas zu essen und sich frisch zu machen, fuhr sie nach Hause. Sie weinte nicht mehr in den kurzen Momenten, die sie zu Seth durfte. Sie lächelte und bemühte sich, so
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