Glut unter der Haut
hatten ein Leck in einem der Rohre in den Hütten. Ich hab’s repariert. Gut möglich, dass wir uns damit den Klempner gespart haben. Morgen werden wir’s wissen.« B. J. kicherte.
»Danke, mein Lieber.« Edna tätschelte sein Knie. »Morgen kannst du dich gleich an die Klimaanlage machen.«
»Sehen Sie, Erik?« B. J. breitete in einer hilflosen Geste die Hände aus. »Sie sind nie zufrieden …«
»Ach, du!«, schalt Edna ihn und stieß ihn sanft mit der Schulter an. Dann wandte sie sich wieder ihrem Gast zu, der die kleine Neckerei amüsiert beobachtet hatte. »Kathleen kam zum ersten Mal zu uns, als sie vierzehn war. Ich hoffe, es ist dir nicht unangenehm, Kathleen, aber ich glaube, Erik möchte bestimmt gerne deine Geschichte hören.« Sie blickte etwas nervös drein, doch Kathleens Lächeln beruhigte sie.
»Nein, gar nicht. Ich erzähle immer gerne von ›Bergblick‹.« Kathleen zwang sich, Erik anzusehen. Er war ihr auf dem engen Sofa unwillkommen nahe. Seine männliche A usstrahlung jagte ihr kleine Schauer der Erregung über den Rücken.
»Als ich dreizehn war, kamen meine Eltern bei einem A utounfall ums Leben. Ich hatte keine weiteren V erwandten und auch keine Geschwister. Freunde aus der Kirchengemeinde brachten mich in einem W aisenhaus in A tlanta unter. Es genoss den Ruf als eines der besten im Land. A ber ich, als wohlbehütetes Einzelkind, hatte große Probleme, mich anzupassen. Meine Leistungen in der Schule ließen stark nach, ich wurde bockig – kurz: ein echtes Biest.«
B. J. lachte, worauf Edna ihm einen bösen Blick zuwarf, der ihn verstummen ließ.
»Im Sommer darauf schickte mich das W aisenhaus hierher. Ich fand es grässlich wie alles andere zu der Zeit auch. Ich hatte das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden – von der ganzen W elt, von Gott. Doch dieser Sommer sollte mein ganzes Leben verändern.«
Ihre Stimme klang belegt bei der Erinnerung daran, und sie schaute nervös lächelnd zu den Harrisons. »B. J. und Edna ließen es nicht zu, dass mein Leben von Bitterkeit und Hass zerstört wurde. Sie schenkten mir Liebe zu einem Zeitpunkt, als ich alles andere als liebenswert war. Ich fing wieder an, mich wie ein Mensch aufzuführen und nicht mehr wie ein verwundetes T ier. Ich schulde ihnen so viel. Ich werde es nie zurückzahlen können.«
»Ach, du hast es uns schon tausendfach zurückgezahlt, Kathleen.« Edna sah gerührt zu Erik hinüber. »Sehen Sie, Mr. Gudjonsen, seit diesem Sommer ist Kathleen jedes Jahr zu uns ins Camp gekommen, bis sie zu alt dafür wurde. A ls sie dann das College besuchte, haben wir sie gefragt, ob sie als Betreuerin kommen würde. A uf Grund ihrer eigenen Erfahrung kann sie sich besser als sonst jemand in die Kinder einfühlen. A ls dann im V orstand eine Position frei wurde, boten wir Kathleen den Platz an. Sie zögerte erst, aber wir bestanden darauf, dass sie annahm. Und sie hat uns nicht enttäuscht. Im letzten Jahr hat sie ganz allein das Geld für eine Klimaanlage in der Mensa und für zwei Basketballkörbe aufgebracht.«
Kathleen errötete angesichts des Lobes. Ihr Unbehagen steigerte sich noch, als sie bemerkte, dass Erik sie ansah.
Als er spürte, wie peinlich ihr das Ganze war, wandte er sich an seine Gastgeber: »Ich brenne darauf, mehr über Ihren Erfolg hier zu hören, aber ich gestehe, dass ich großen Hunger habe. Könnten wir unsere Unterhaltung nicht beim Essen fortsetzen?«
»Der Bursche gefällt mir!«, sagte B. J. fröhlich und erhob sich schenkelklatschend.
»Rechnen Sie nicht damit, dass wir uns beim Essen unterhalten können, Erik«, warnte Edna. Sie war dazu übergegangen, ihn beim V ornamen zu nennen. »Unsere Mensa ist für ernsthafte Gespräche denkbar ungeeignet.«
Er lachte, während er beiläufig Kathleens A rm nahm und mit ihr durch das Büro auf den A usgang zuging. »Das macht nichts. Schließlich möchte ich die Stimmung und den Geist des Camps mitbekommen.«
»Oh, wenn es Ihnen um Geistreiches geht, dann sind Sie dort genau richtig.« B. J. lachte.
»Verstößt es gegen die Regeln, wenn ich die Kamera mitnehme?«, fragte Erik.
»Keineswegs«, erwiderte Edna. »Solange Sie bei uns sind, bestimmen Sie die Regeln.«
»Danke, Mrs. Harrison.«
»Edna«, korrigierte sie.
Mit dem Lächeln, das er ihr schenkte, hätte er sich glatt als männliches Fotomodell bewerben können. »Edna, ich gehe nur schnell zu meinem W agen und komme dann in einer Minute nach. Halten Sie mir schon mal einen Platz frei, B.
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