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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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begraben sein. Bei lebendigem Leib. Ihr Herz verengt sich spürbar. Der Zettel fällt ihr aus der Hand und segelt lautlos zu Boden.
     
    Der nächste Morgen ist ein prachtvolles Geschenk. Der Himmel frei geputzt. Blank und blitzblau. Keine Nässe, die von den Dächern trieft. Stattdessen ist alles in milde Luft gehüllt, die durch die Straßen zieht. Mit unschuldiger Begeisterung zwitschern die Vögel von Bäumen und Häusern. Starten jubilierend in lichte Stunden.
    In München treffen Michael Horn, Karl Degenwald und Ben Fürnkreis im Literaturhaus aufeinander. Beim Frühstück.
    »Solch einen Wirbel wie hier, in der bayerischen Großstadt, seid’s sicher nicht mehr gewöhnt, gell?«, meint Hörnchen zur Begrüßung. Er steuert einen Tisch an und setzt sich als Erster. Karl Degenwald nimmt ihm gegenüber Platz. »Den Morgen beginne ich, wie gewöhnlich, wenn ich mir etwas Gutes gönne, mit starkem Kaffee, einem großen Glas Wasser, Fruchtsalat und Croissants. Und einem kritisch-interessierten Blick auf Ben«, redet Hörnchen weiter.
    Ben fährt sich, eine identifizierbare Spur nervös, mit sämtlichen Fingern durchs Haar. Obwohl es daran nichts zu richten gibt. Eine Verlegenheitsgeste. Keine Notwendigkeit. Dann setzt auch er sich.
    »Du strahlst heute derartig, dass ich mir die Frage nach deiner Nachtruhe nicht verkneifen kann, Ben. Hast du dir die etwa mit einem anständigen Weibsbild versüßt?« Hörnchen lacht polternd auf und prüft den Kaffee, der rasch serviert worden ist. Als feststeht, dass er genießbar ist, nickt er zustimmend und nimmt weitere Schlucke.
    »Mit einem scheuen Reh etwa?«, hakt Hörnchen nach. An der Liebe und ihren Begleitumständen hat er seit jeher reges Interesse gezeigt.
    »Oder einer Wildkatze, die ihre Krallen ausfährt?«, setzt Degenwald, mit pikiertem Blick, eins drauf.
    Ben ist anzusehen, dass er gerade das hatte verhindern wollen. Ins Kreuzfeuer zu geraten. Außerdem kann er sich nicht des Eindrucks erwehren, Karl rede nur aus einem Grund mit. Um nicht aufzufallen.
    »Ist es was Festes?«, will Michael Horn, der inzwischen mit einem Croissant beschäftigt ist, wissen.
    Ben gönnt sich einen großen, heißen Schluck Kaffee. Um Zeit zu gewinnen. »Es handelt sich eher um eine Tändelei. Aber mit Potenzial«, gibt er schließlich zu.
    »Das Ganze könnte sich also durchaus zu etwas Langfristigem auswachsen«, mutmaßt Degenwald. Zum ersten Mal bei der Sache. Er hat sein Frühstück noch nicht angerührt. Starrt lediglich auf den Käse und das Brot vor sich.
    »Schau an. Das hört man gern.« Hörnchen quittiert Bens Geständnis mit einem ehrlichen Nicken und einem weiteren Biss ins mit Kirschmarmelade verfeinerte Croissant. »Ich freu mich für dich. Wie heißt sie denn? Kennt man die Dame?«
    Degenwalds Gesicht verfinstert sich. Als habe er Angst davor, dass ein Name fällt.
    »Wenn dem so wäre, würde ich es gerade euch auf die Nase binden. Irgendwo beginnt auch bei mir die Privatsphäre.« Ben hebt abwehrend die Hände und macht eine Geste, dass sein Mund und sein Herz verschlossen sind.
    »Fängt ihr Nachname zufällig mit ›W‹ an?« Hörnchens Freude an dem Spiel scheint einen ersten Höhepunkt zu erreichen. Er nimmt einen letzten Schluck Kaffee, beißt in sein Croissant und kümmert sich um Nachschub. »Noch Kaffee, bitte!«, ruft er dem Kellner zu. Während er kaut, schüttelt er amüsiert den Kopf. Nicht bereit, mit der Raterei aufzuhören. Degenwald, der sich der Situation immer weniger entziehen kann, beschäftigt sich pro forma mit der Schlagzeile der Tageszeitung. Als könne ihm das helfen. »Meine Herren, an so einem prächtigen Morgen wird es wohl erlaubt sein, die Grandiosität der Liebe hochzuhalten.« Hörnchen schluckt laut hinunter. »Und deren positive Auswirkungen auf den Körper-, Gesundheits-und Gemütszustand des Homo sapiens«, fügt er, ganz der Mediziner, an. »Bei einer sexuellen Handlung steigt erwiesenermaßen die Konzentration der Hormone Adrenalin und Noradrenalin an. Den Höchststand erreichen sie selbstverständlich beim Orgasmus. Dagegen nimmt die Konzentration des Stresshormons Kortisol beim Höhepunkt leicht ab. Zusätzlich verdoppelt sich die Anzahl der natürlichen Killerzellen des Immunsystems. Ein Orgasmus ist also nicht nur ein befriedigendes körperliches Erlebnis. Er stärkt auch das Immunsystem und hilft so, Stress abzubauen. Deshalb wundert es mich nicht, dass unser allseits geschätzter Ben neuerdings so vital wirkt. Worauf das

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