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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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mit Ratlosigkeit bezüglich eines seltsamen Briefs, den Elsa bekommen hatte. Danach waren gut zwei Stunden Schlaf übrig geblieben. Zu wenig zum Erholen, aber genug, um an diesem Morgen nicht völlig auszufallen. Degenwald bemüht sich, einen klaren Gedanken auf die Reihe zu kriegen. Er sucht die Kissen am Boden zusammen. Wirft sie ungelenk aufs Sofa. Ein Gast sollte nicht mehr Unordnung hinterlassen als nötig, hatte man ihm einstmals beigebracht. Er findet das zwar übertrieben, hält sich aber daran. Die Fesseln der Vergangenheit halten besonders gut. Zumindest bei ihm.
    »Sagen Sie bloß nicht, Sie sind beruflich hier. Schummeleien und Lügen stehen einem Kriminalhauptkommissar schlecht zu Gesicht. Also versuchen Sie’s besser mit der Wahrheit.«
    »Stimmt trotzdem«, widerspricht Degenwald kleinlaut. In Elsas Wohnzimmer kommt er sich – zumindest nach dieser Nacht und vermutlich auch sonst – wie auf dem Mond vor. Dort hat menschliches Leben nichts verloren. In seinem Aufzug und ohne Vorwarnung für Anna, gehört er hier so wenig hin wie Elsa um diese Zeit in sein Bett gehören würde. Obwohl er gerade diese Ungewöhnlichkeit liebend gern erleben würde. In aller Ausführlichkeit. Aller Köstlichkeit. Wenigstens ein einziges verdammtes Mal.
    Anna kommt näher, grinst ihn verkniffen an und richtet die Kissen, die der Besuch ihrer Mutter mehr schlecht als recht auf der Couch drapiert hat. Schiebt sie in Position. »Da kennt meine Mutter kein Pardon. Die Anordnung der Polster muss stimmen«, bringt sie Karl Degenwald im Schnellkurs die Hausregeln bei.
    » Was ist schiefgelaufen, dass Sie sich bei uns rumtreiben? Ist Ihr Haus abgebrannt?«, will sie dann wissen.
    Degenwald kommt nicht dazu, etwas zu entgegnen. Bevor er die Lippen öffnen kann, um Luft zu holen und zu antworten, tritt Elsa ins Zimmer. Geduscht, geschminkt, aber noch im Bademantel. Ein reizvoller Anblick. Degenwalds Blick bleibt an ihren duschfeuchten Unterschenkeln hängen. Wohlgeformte Waden. Die Tropfen funkeln auf ihrer Haut, als wären sie Brillantstaub. Elsa steht da wie eine einzige Versuchung. Weil es eine ganz und gar gewöhnliche Situation ist, erscheint sie Degenwald umso verführerischer. Die Selbstverständlichkeit dieses Morgens versetzt ihn einige kurze Atemzüge lang in eine Szene des Tatsächlichen. Er glaubt, hier zu wohnen. Mit Elsa und Anna an seiner Seite. Er ist der neue Mann. Ein Teil dieser Familie. Elsas Liebhaber, ihr Freund, Gott ja, auch ihr Kollege. Alles das ist er. Dann klingelt es. Degenwalds Traumsequenz reißt ab. Anna geht an ihm vorbei zur Tür, um zu öffnen. Der Morgen voller Überraschungen scheint ihr zu gefallen. Wenige Sekunden später kommt sie mit einem Schwall kühler Luft und einem weiteren Mann im Schlepptau zurück. Das Gesicht des Spurentechnikers erstarrt, als er Karl Degenwald und Elsa, wie ein Paar vereint, im Wohnzimmer antrifft. Karl mit zerzaustem Haar, längeren Bartstoppeln und Betroffenheit auf den Lippen. Elsa mit starrer Miene.
    »Sieht so aus, als könnten wir gleich ’ne Frühstücksparty steigen lassen. Jetzt, wo noch jemand dazukommt, zahlt sich’s richtig aus, würd ich sagen.« Anna freut sich über den frühmorgendlichen Auflauf im Haus. Sie mag schräge Situationen. Und überforderte Erwachsene. Beides zusammen besonders.
    »Tut mir leid, wenn ich störe«, würgt Ben nach einer Ewigkeit, während der alle, außer Anna, mundtot zu sein scheinen, hervor. Er dreht sich um und will wieder gehen. Doch Anna hält ihn auf, indem sie ihn unwirsch am Arm packt. Jetzt steht Ben Fürnkreis neben ihr, als wäre er ihr Schutzbefohlener. Sie nickt ihm zu, als müsse sie ihn, geistig gesehen, antreiben. Als nichts passiert, deutet Anna auf die Rose in der Keramikvase, die auf dem Esstisch steht. »Die ist von Ben. Dem edlen Ritter«, teilt sie ihrer Mutter mit. »Ben war gestern schon mal hier. Als du mit Marissa zu tun hattest.«
    »Ich wollte nur …«, beginnt Ben, dem seine eigene Entrücktheit plötzlich dumm und vor allem unnötig vorkommt. »Ich dachte …« Er stockt erneut und fährt sich über die Lippen.
    Schließlich greift Elsa ein. »Wo wir hier schon mal zusammenstehen, schlage ich vor, wir frühstücken miteinander. Im Kühlschrank findet sich jede Menge Nahrhaftes. Dafür sorgt schon Anna. Die geht nämlich liebend gern Unnötiges und vor allem viel zu viel davon einkaufen.«
    »Degi, Sie holen frisches Gebäck. Drüben beim Aubichler«, teilt Anna Karl Degenwald ein. »Und

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