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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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gleich links. Der Niederfeldweg ist eine kleine Straße, die bald ins Grün ausläuft. Dahinter liegen Wiesen. Weiter weg Bäume. Wenn man ein weiteres Mal links abbiegt, kommt man in den Messnerweg. Auch da ist kein Weiterkommen. Degenwald befindet sich an einem der ausfransenden Ränder des Dorfes. Er sieht die Hochplatte in gar nicht so weiter Ferne. Den 1.587 Meter hohen, schlafenden kleinen Riesen. Nichts Spektakuläres, aber etwas Nettes fürs Auge des geschulten Bayern. Ob Elsa die karge Schönheit ihrer neuen Heimat schon mit wachem Blick genossen hatte? Er bezweifelt es. Bisher war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Vergraben in ihrer Opferrolle. Außerdem war sie ihrem Pseudonym als toughe Kriminalpsychologin ergeben, die sich keinen Fall entgehen ließ. Aufklärung um jeden Preis. Doch da gab es neben ihrem wachen Verstand auch ihre Intuition und Einfühlsamkeit, die sie oft genug unter Beweis stellte und dann wieder mit Erfolg verbarg. Zwischendurch blitzte immer wieder einmal ihr wahres Wesen auf. Daran erfreute er sich.
    Seit einiger Zeit ist sie plötzlich weicher geworden. Immer noch mit scharfen Ecken und gewaltigen Kanten, aber zwischendurch leichter zu handhaben. Er schöpft Hoffnung, dass sie sich bald fängt. Obwohl er offiziell – bis aufs Berufliche – nichts mit ihr zu tun hat, fühlt sich der Gedanke gut an.
    Degenwald ermahnt sich, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Er schweift in letzter Zeit häufig ab. Das will er sich nicht leisten. Schließlich hat er vor, Gerd Speckbacher eiskalt zu erwischen. Vielleicht hat der etwas mit dem Todesfall Veronika Steffel zu tun? Bei Luise Gasteigers Ableben konnte man ihn getrost streichen. Obwohl, manchmal kam selbst das Abwegigste zum Tragen. So gesehen war Speckbacher auch im Fall Luise Gasteiger noch nicht raus aus dem Spiel. Im Fall Veronika Steffel hätte er auf jeden Fall ein Motiv. Rache! Rache nach vielen Jahren des Nichtwissens. Des stillen oder des lauten Leidens. Rache war ein derartig starkes, vernichtendes Gefühl, dem sich alles unterwarf. Vor allem die Vernunft. Und das Verzeihen.
     
    Vor einem unscheinbaren Dreifamilienhaus, dessen rund ums Gebäude führender Balkon längst gestrichen und ausgebessert gehört, bleibt Karl Degenwald stehen. Die Straßenlaternen werden bald ihr sanftes Licht verströmen. Doch noch ist es nicht so weit. Noch herrscht das sanfte blaue Licht des frühen Abends, das für einen Rest Helligkeit sorgt. Das Licht, das Romantiker immer wieder zu neuen Gedichten und Versprechungen zum Thema Liebe verleitet.
    Degenwald beugt sich vor und liest, was auf dem Schild neben der Holztür mit dem gelben Glasornament steht. Der Name eines bereits Verzogenen, dessen Existenz in Unterwössen offenbar hastig durchgestrichen worden war. W. Hartmann. Darüber hatte jemand G. Speckbacher gekritzelt. Nicht ordentlich aufgeschrieben, sondern mit blauem Kuli hingeschmiert. »Ein rascher Wechsel«, murmelt Degenwald und tritt noch näher heran. Wo mochte ihn die Suche nach einem kleinen Journalisten hinführen? Und wie war die Ankunft Gerd Speckbachers in diesem Haus verlaufen? Welche Spuren hatte der Mann, dessen Name am Briefkasten stand, vermutlich einem billigen, verbogenen Modell, an seiner Wohnungstür und schließlich in der Wohnung selbst hinterlassen? Speckbacher schien es verdammt eilig gehabt zu haben oder sich nur keine Mühe geben wollen, in seinem neuen Leben in Unterwössen anzukommen. Von einem guten Eindruck konnte keine Rede sein. Mit einem Namensschild der Art, wie Degenwald es hier vorfindet, konnte man keinen vom Hocker hauen. Höchstens negativ auffallen. Aber vielleicht wollte Speckbacher das ja. Ein abgewracktes Namensschild für ein abgehalftertes Leben. Journalist bei einer mickrigen Regionalzeitung. Kein nennenswertes Privatleben. Eine zumindest vermutbare düstere Vergangenheit. Degenwald hebt den Finger, drückt auf die graubraune, in der Mitte vom Drücken abgegriffene Klingel und erhöht den Druck. Es läutet. Ein gähnendes, verschlafenes Läuten, das kaum in den zweiten Stock hinaufzulangen scheint. Danach träge Stille. Keine Schritte, kein sich öffnendes Fenster, kein Summer, der die Tür aufmacht.
    Degenwald klingelt erneut. Diesmal mehrmals hintereinander. Er hat keinesfalls die Absicht, unverrichteter Dinge das Feld zu räumen. Im Gegenteil. Er will etwas weiterbringen. Schnell weiterbringen. Später muss er zu Elsa Wegener. Er hat versprochen, die Nacht bei ihr zu

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