Glutnester
so klatscht. »Elsa Wegener. Unsere Spürhündin. Ich freu mich wie ein Junger darauf, dass Sie die Witterung aufnehmen.«
Elsas und Degenwalds Handys klingeln synchron. Zerreißen den Augenblick seltsamer Ausgelassenheit, der gerade dabei war, sich zwischen ihnen auszubreiten.
»Wegener«, meldet sich Elsa. Während sie zuhört, was ihr mitgeteilt wird, weiten sich ihre Augen und fangen Karl Degenwald, ihren Kollegen, wie hypnotisiert ein.
Degenwald legt als Erster auf. Er schluckt und schaut den Gerichtsmediziner an, als habe er tausend Fragen an ihn, aber keine Zeit, die Antworten zu hören. Schließlich drückt auch Elsa die Aus-Taste.
»Veronika Steffel ist tot. Sepp Gnadl, einer der Waldarbeiter, hat sie gefunden. Vor wenigen Minuten. Er wollte ihr Fleisch bringen. Als er reinkam, lag sie auf dem Küchenboden. Neben einer Packung Reis, die sich rund um sie ergossen hat«, erklärt Degenwald stichwortartig.
»Fleisch braucht sie jedenfalls keines mehr«, rutscht es Hörnchen heraus.
Elsa lässt ein zaghaftes Seufzen hören und wendet sich an Degenwald. »Wer ist Veronika Steffel? Wissen Sie etwas über ihren familiären Hintergrund?«
»Veronika ist Luises jüngere Schwester«, gibt Degenwald zur Antwort.
»Das nenn’ ich Resonanzbeziehung. Im Tod vereint«, entkommt es Elsa.
Hörnchen nippt an seiner Unterlippe wie an einem heißen Kaffee. Sein Gesicht spricht Bände. Just in diesem Moment hat das Räderwerk in seinem Gehirn auf Vollbetrieb geschaltet. Denn hinter zwei toten Frauen an zwei Tagen, noch dazu Schwestern, vermutet nicht nur er ein kniffliges Rätsel, das vielleicht weit Schlimmeres vermuten lässt, als man im Moment ahnen könnte.
Die Wolken am Himmel haben sich zerstreut wie Kinder, die zum Ins-Bett-Gehen hineingerufen werden, aber nicht schlafen wollen. Stattdessen präsentiert der Himmel eine selten violette Farbe. Ein fliederfarbenes Band, das lediglich mit der Abwechslung heller, dunstiger Kondensstreifen vorbeigeflogener Flugzeuge aufwarten kann.
Der Tag holt friedlich Luft, als sei die Zeit stehen geblieben, nur dass niemand es bisher bemerkt hatte. Alles Lebendige verharrt unbewegt.
Der Wetterdienst meldet ein Tief, das Bayern in wenigen Stunden erreichen und alles aufschrecken wird. Elsa lauscht dem Wetterbericht, während ihr Golf hinter Hörnchens Range Rover den Hochgernweg entlangfährt. Sie schaut gen Himmel, dann auf die Straße und biegt in den Gruberweg ein. Irgendwann kommt sie auf einen Forstweg, der nach Point führt, wo nichts als zwei Häuser auf sie warten, von denen eines durch eine Leiche verunreinigt ist.
3. Kapitel
Ein Haus von übersichtlicher Größe. Der Putz längst nachgedunkelt. Das Holz verwittert. Alles wirkt auf den ersten Blick schäbig und auf den zweiten wie zu Ende gelebt. Vor dem Haus steht ein Jeep – offenbar der des Waldarbeiters – der, falls es welche gab, vermutlich alle brauchbaren Spuren niedergewalzt hat.
Elsa steigt aus, sieht zu Boden und ärgert sich. »Verdammt! Bei den Reifenprofilen des Jeeps, und vor allem der Menge der Reifenspuren wird vermutlich kein anderer Fuß- oder Reifenabdruck mehr zu finden sein.«
»Bleiben Sie friedlich, Frau Kollegin. Der Seppi konnt schließlich nicht ahnen, dass ihn drinnen, bei der Veronika, der Tod anstatt einer ordentlichen Tasse Kaffee erwartet«, entgegnet der Gerichtsmediziner und steuert zielstrebig das Haus an.
»Auch wieder wahr!«, lässt Degenwald, der Elsas Meinung teilt, sich beruhigen. Er betritt, gleich nach Hörnchen, das Haus. »Wir riegeln alles weitläufig ab«, instruiert er sich selbst, noch unterm Gehen.
Als er den Flur einnimmt, der, als Licht und Luft in ihn einströmen, ein hektisches Flirren und einen absonderlichen Tanz tausender Staubpartikel sehen lässt, seufzt er auf. »Schauen wir mal, was hier auf uns lauert.«
»Ein weiteres Antlitz des Todes«, entgegnet Elsa trocken. Sie schaut Degenwald mit undurchdringlichem Ausdruck an. Dann sagt sie: »Ich hab ein miserables Gefühl. Als würde uns hier noch Schlimmes erwarten.«
Elsa und ihre Kollegen betreten die Küche, wo ein Mann, fahl im Gesicht und offenbar kaum eines Wortes mächtig, vor ihnen steht. Bei ihrem Anblick hebt er zuckend die Schultern und schaut gotterbärmlich drein. »G’nau so hob i s’ g’funden!«, meint er und wirkt dabei, als wolle er sich für alles mehr als einmal entschuldigen.
»Servus, Seppi«, übernimmt Michael Horn die traurige Begrüßung. Er klopft dem Mann mitfühlend
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