Glutroter Mond
dass ich selbst Interesse an Drogen hätte. Dieses Zeug zeigt bei mir schlichtweg keinerlei Wirkung. Ich kann nicht einmal nachvollziehen, wie es sich anfühlt. Die Menschen berichten häufig von Glücksgefühlen - für mich nur ein bedeutungsloser Begriff meines Wortschatzes. Ich beabsichtige, das weiße Pulver wiederum gegen etwas anderes einzutauschen. Aber wie soll ich das machen, wenn dieser Bastard heute nicht aufkreuzt?
Das Gedränge in der Bar macht mich unruhig. Ich komme nicht sehr oft hierher, und ich habe den Ort als weniger überlaufen in Erinnerung behalten. Heute sind mindestens dreißig Leute hier. Wahrscheinlich wegen des Schnapses, der hier heute ausgeschenkt wird. Großartig. Da habe ich mir für meinen Tausch den bestmöglichen Tag ausgesucht.
»Möchtest du nichts trinken?«
Ich fahre zusammen und reiße den Kopf ruckartig herum. Das Weib neben mir hat es gewagt, mich anzusprechen! Wie zufällig berührt sie mit ihrem Knie das meine. Ich rücke ein Stück beiseite.
»Nein, ich möchte nichts trinken«, knurre ich sie an. Auch sie weicht ob meines harschen Tonfalls zurück. Ich weiß, dass ich ziemlich überzeugend klingen kann. Meine Stimme ist recht tief, und Sienna hat mir einmal gesagt, mein Blick sei der einer Schlange. Irgendwann habe ich ihn mir antrainiert, um aufdringliche Menschen fernzuhalten. Okay, nicht nur deshalb. In dieser Welt ist es einfach von großem Vorteil, ein harter Hund zu sein. Das liegt mir in den Genen, dafür kann ich nicht einmal etwas.
Rasch drehe ich mich wieder um und beobachte das Treiben in der Bar.
Bar
, wirklich lächerlich. Der selbstgezimmerte Tresen ist alles, was entfernt an eine Bar erinnert. Niemand kommt hierher, um etwas zu trinken, zumindest nicht an normalen Tagen, an denen es keinen Schnaps gibt. Wer auf der Suche nach illegalen Waren oder käuflicher Liebe ist, ist hier genau richtig. Ob man es glaubt oder nicht, selbst die V23er sind nicht unbestechlich. Sie sind gefühlskalte Bastarde, ja, aber die Triebe scheinen ihnen erhalten geblieben zu sein. Ich verziehe den Mund zu einem Grinsen. Widerwärtiges Pack. Sie glauben tatsächlich, sich den Rest der Welt Untertan machen zu können. Tja, meine Lieben, aber mit euren abartigen Mutationen und zahlreichen genetischen Fehlern könnt ihr das vergessen. Weshalb sollte es euch besser ergehen als mir und meiner Sippe.
Hinter dem Tresen steht ein junger Mann. Er ist nicht der Barkeeper, so einen gibt es hier überhaupt nicht, nur ein hässlicher stinkender Wichtigtuer, der mich anstarrt. Ich funkle ihn böse an, aber anders als bei dem Weib scheint er sich davon nicht beeindrucken zu lassen. Erst jetzt fällt mir auf, dass er nicht der einzige ist, der mich so unverhohlen mustert. Ich falle in diesem Raum auf wie ein bunter Hund. Die V23er kleiden ihre Laborratten in Einheitskleidung - blau für die Männer, gelb für die Frauen. Meine schwarze Lederkleidung will nicht recht zu ihrem Look passen. Ob sie mich für einen V23er halten? Immerhin tragen nur diese schwarze Anzüge. Zumindest glauben die dummen Menschen das. Natürlich könnte ich ihre Vermutungen bezüglich meiner Herkunft bestärken, indem ich einfach meine Jacke ausziehe. Das hübsche Tattoo auf meinem linken Unterarm ähnelt dem Mal der Genmutanten bis ins Detail. Aber heute ist mir nicht danach, Menschen zu verarschen. Deshalb behalte ich meine Jacke an. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Ich möchte endlich meine Batterien eintauschen und dann so schnell wie möglich von hier verschwinden. Diese Stadt jagt mit einen kalten Schauder über den Rücken.
Die Tür oberhalb der Treppe knarrt. Durch das Gemurmel der anderen Besucher höre ich Schritte auf den ausgetretenen Stufen. Meine Sinne sind schärfer als ihre.
Nur Sekunden später taucht jemand im Eingang auf. Die Bar befindet sich unterhalb der Erdoberfläche, wenn man sie betreten möchte, muss man eine etwa zehn Yards lange Treppe hinabsteigen, die von außen durch eine unscheinbare, stets unverschlossene Tür gekennzeichnet wird. Das
Cave
befindet sich in Midtown, südlich des Parks. Praktisch für mich, denn mein Fluchtweg bis zum Tunnel ist nicht lang, erst recht nicht für einen trainierten und körperlich gesunden Acrai wie mich. Diese Tatsache beruhigt mich ein wenig, denn mit einer Horde V23er möchte ich es nicht aufnehmen müssen. Und von denen gibt es hier für meinen Geschmack eindeutig zu viele.
Der Mann bleibt einen Augenblick lang im Eingangsbereich stehen und
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