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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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nicht. Ihre Schritte verhallen auf der Treppe, am oberen Ende knarrt die Tür.
    Es dauert noch einige Atemzüge, ehe das Unvermeidbare eintritt. Ich hocke auf dem Boden hinter dem Tresen, doch jederzeit zum Sprung bereit. Ich spüre, wie Hass und Abneigung durch mich hindurch fließen und mich dazu zwingen, die Zähne zu blecken. Bin ich auch nicht imstande, etwas anderes zu fühlen - Hass funktioniert immer. Reine Selbstbeherrschung hält mich davon ab, auf die Beine zu springen und ein Massaker anzurichten, sogar mit bloßen Händen. Ich bereue, meine Schusswaffe im Auto gelassen zu haben. Sie hätte es mir erspart, den V23ern die Augen auszukratzen und mir die Finger dabei schmutzig zu machen.
    Neben mir kauert noch ein anderer Mann, der am ganzen Leib zittert. Ich werde mir seiner Anwesenheit erst jetzt bewusst. Dann schiebt sich ein Schatten über uns, einer der Polizisten tritt hinter den Tresen. Er packt den zitternden Typen am Kragen seines Einheitsanzuges und zerrt ihn auf die Beine. Unsanft stößt er ihn Richtung Ausgang.
    »Nach draußen!«, brüllt er ihm entgegen.
    Der Mann winselt und stürzt zur Treppe. Weichei. Hat er Angst vor der Knarre des Polizisten? Ein V23er wird sie nicht gegen einen Menschen verwenden, sollte sein eigenes Leben nicht in Gefahr sein. Die schlimmste Strafe, die den Verbrechern in dieser Stadt droht, sind ein paar Tage unter Arrest. Ha ha. Irgendwie ironisch, wo doch die ganze Stadt genau genommen unter Arrest steht. Ob der Polizist mir gegenüber ebenso zögerlich mit seiner Waffe ist, dessen bin ich mir hingegen nicht so sicher.
    Ich erhebe mich vom Boden, langsam. Es soll schließlich spektakulär wirken, dass ich einen halben Kopf größer als dieser Mistkerl bin. Seine Augen kleben auf mir und ich glaube, für die Dauer eines Herzschlags einen erschrockenen Ausdruck darin gesehen zu haben. Dann ist der Augenblick verflogen, seine Augen verengen sich.
    »Ich brauche Verstärkung!«, brüllt er aus voller Kehler, während er eine glänzend schwarze Pistole aus dem Halfter seines Gürtels zieht. Der Lauf ist auf meine Brust gerichtet, aber ich lasse mir keine Furcht anmerken. Die habe ich ohnehin nicht, um ehrlich zu sein. Die Angst vor dem Tod habe ich mir schon vor sehr langer Zeit abgewöhnt. Ich bedauere lediglich, diesen äußerst attraktiven und gottgleichen Körper aufgeben zu müssen, sollte eine Kugel ihn durchbohren. Ich hatte mich gerade an ihn gewöhnt.
    Sekunden später höre ich wieder Poltern auf der Treppe. Ich fauche und reiße den Kopf herum. Ich mache keinen Hehl aus meiner Abstammung, die hat mein Gegenüber ohnehin auf den ersten Blick erkannt, dessen bin ich mir sicher. Drei weitere Personen stürmen in die Bar, zwei Männer und eine Frau.
    »Er ist ein Acrai. Wie ist er hereingekommen?« Der Mann, der die Pistole auf mich richtet, spricht mit seinen Kameraden, ohne den Blick von mir zu lösen.
    Die beiden Männer, die er zur Verstärkung gerufen hat, sind wenig zimperlich. Ohne zu zögern flankieren sie mich und greifen nach je einem meiner Oberarme. Ich versuche mich loszureißen, aber ich schaffe es nicht. Mir wird bewusst, dass diejenigen vom Volk V23 ebenso kräftig sind wie meine Art. Natürlich sind sie das. Sie bergen unsere finstere Gensaat in sich.
    Die Frau tritt neben den Kerl mit der Waffe und beugt sich zu mir herüber. Ihre Haare sind kinnlang und pechschwarz, ihre Haut hingegen blass. Ich schätze sie auf Ende zwanzig. Niemand ihres Volkes ist älter.
    »Craig, du hast recht«, sagt sie. Sie greift in meine Haare und zieht meinen Kopf nach hinten. Ich lasse es geschehen. »Seine Augen habe die Farbe von Bernstein.«
    Craig deutet mit dem Lauf der Pistole auf meinen linken Arm. »Kannst du ihm den Mantel ausziehen? Ich will mich davon überzeugen. Vielleicht ist er nur einer der menschlichen Rebellen.«
    Der Kerl auf meiner rechten Seite schnaubt. Ich habe den Eindruck, dass er noch fester zupackt als zuvor. Meine Finger beginnen bereits zu kribbeln. »Glaubst du wirklich, ein Rebell käme freiwillig in die Stadt? Wohl kaum. Der ist ein Acrai, darauf wette ich.«
    Ich betrachte ihn mit einem Seitenblick. Er sieht jünger aus als die anderen, vielleicht zwanzig. Seine Nase ist schief, als hätte er sie sich gebrochen. Ein junger V23er, noch ungeschliffen und temperamentvoll. Wart's ab, Bürschchen, auch du wirst die Auswirkungen der Mutation mit den Jahren noch zu spüren bekommen.
    »Kane, nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt«, bellt

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