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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Dauer eines Lidschlags, ehe Tumult ausbricht.
    Jeff erwacht erster aus der Starre. Mit drei langen Sätzen stürmt er zur Treppe zurück. Verdammt! Er hat
meinen
Stoff! Hätte das dumme Weibsstück nicht den Mund halten können? Ich stoße ein tierhaftes Knurren aus und setze an, Jeff zu folgen, doch dazu kommt es nicht mehr. Ehe er auch nur einen Schritt auf die unterste Treppenstufe setzen kann, ruft der Mann hinter dem Tresen ein unüberhörbares
Jetzt
, woraufhin die Tür am oberen Treppenende aufgerissen wird. Tageslicht und frische Luft strömen ins
Cave
. Die Helligkeit blendet mich. Jeff bleibt abrupt stehen, ich wäre beinahe mit ihm zusammengeprallt. Der Kerl hinter dem Tresen war ein Spitzel der V23er! Weshalb habe ich das bloß nicht bemerkt? Er hätte früher oder später ohnehin Alarm geschlagen, ob die blöde Kuh nun gewesen wäre oder nicht. Weshalb führen sie ausgerechnet heute eine Razzia durch? Ich komme so selten hierher!
    Schwere Stiefel poltern die Treppe hinunter, die schwarzen Silhouetten mehrerer Männer schieben sich in das Kellerloch. Es gibt keinen anderen Ausgang, wir sind alle gefangen. Ich kenne keine Panik, denn das ist eine menschliche Reaktion, was jedoch nicht heißt, dass mir mein Herz nicht bis zum Hals schlagen kann.
    Jeff macht auf dem Absatz kehrt und schiebt sich an mir vorbei, zurück in den Raum hinein. Es ist ein dummer Reflex, aber ich folge ihm. Verloren bin ich ohnehin. Ich schließe mit meinem Leben ab, das war's also. Meine irdische Hülle wird hier und heute ihrem Ende entgegentreten.
    Schreie ertönen, schrill und unangenehm. Einige Menschen versuchen sich an den V23ern vorbei nach draußen zu schieben, doch das ist ein sinnloses Unterfangen. Sie blockieren den Ausgang. Ich hechte hinter den Tresen, leider bin ich nicht der einzige, der auf diese Idee gekommen ist. Meine Kleidung ist nicht die eines Städters, das genmutierte Pack hat mich vermutlich bereits entdeckt und identifiziert. Ich trauere weniger meinem sterblichen Körper hinterher als viel mehr dem Geheimnis, das ich ihnen heute verraten habe. Sollte man mich entdecken, werden sie wissen, dass es eine undichte Stelle innerhalb ihrer Barriere gibt. Meine ganze Sippe ist somit in Gefahr.
    Jemand tritt mir in den Rücken. Ich denke nicht, dass es Absicht, sondern im Gedränge schlichtweg unvermeidbar war, dennoch fahre ich herum und greife dem Kerl in den Nacken. Kraftvoll schleudere ich ihn von mir weg, er fliegt über den Tresen und landet mit einem dumpfen Aufprall irgendwo dahinter, direkt den Ordnungshütern vor die Füße. Dann fällt der erste Schuss, dass Geschrei um mich herum wird noch lauter. Von meinem Platz aus kann ich nicht erkennen, was im
Cave
vor sich geht. Mich streift der Gedanke, mein Versteck zu verlassen, ihnen tapfer entgegen zu springen und zumindest einem von ihnen noch das Genick umzudrehen, ehe sie mich erschießen. Aber ich bleibe sitzen.
    »Alle raus!«, brüllt jemand, ich vermute, er gehört zu den V23ern. »Draußen wartet eine Einheit, die euch nach illegalen Substanzen durchsucht.« Seine Stimme klingt kalt und befehlsgewohnt. Sie duldet keinen Widerspruch, und das Geschrei senkt sich zu einem Gemurmel herab, durchbrochen von gelegentlichen Schluchzern.
    Ich höre ein Poltern auf der Treppe, der Raum scheint sich zu leeren. Es wundert mich, dass die Polizisten so hart durchgreifen, immerhin stammen alle von ihnen als
illegale Substanzen
betitelten Waren ursprünglich aus ihren eigenen Reihen. Wie sollten die armen Schlucker dieser Stadt sonst daran gekommen sein? Ich nehme an, dass nur junge V23er - von ihren Untertanen ehrfürchtig als
Oberste
bezeichnet - Luxusgüter gegen Liebesdienste tauschen, denn die älteren von ihnen sind genauso wenig wie ich dazu imstande, Emotionen zuzulassen. Diese Polizisten gehören vermutlich zu denen, deren Verwandlung einige Jahre zurückliegt. Dem System ergeben durch und durch. Pfui.
    »Hier liegt eine bewusstlose Frau«, sagt jemand. »Sie scheint einen Schlag gegen den Kopf abbekommen zu haben.«
    Ich höre ein Geräusch, als würde jemand einen Körper über den Boden schleifen.
    »Bring sie zur medizinischen Station«, antwortet eine Frau. Ihre Stimme ist ebenso kalt wie die ihres Kollegen. »Ihr beiden durchsucht den Raum, ich gehe wieder hinaus. Es stinkt bestialisch hier. Mal sehen, wie viele wir heute überführt haben.« Höre ich einen Anflug von Schadenfreude in ihrem Tonfall? Nein, unmöglich, so etwas fühlen die Mutanten

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