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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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sein als unsere Stadt.
    Der Mann kehrt zurück, ich merke es, obwohl ich der Tür den Rücken zuwende. Sein Körper verdunkelt das Licht in der Türöffnung. Ich fahre herum. Er hält ein weißes Tuch in der Hand, das er mir, wie die Seife zuvor, neben das Fass wirft. »Abtrocknen!«
    Ich tue wie mir geheißen. Ich zittere am ganzen Körper. Vor Kälte und Angst. Obwohl ich mich so gut es geht abrubbele, bleibt meine Kleidung nass und klebt unangenehm auf der Haut. Dennoch stecke ich meine Karte zurück in die Tasche und hoffe, dass die Nässe sie nicht zerstören wird. Das Handtuch lege ich zusammengefaltet neben das Fass. Ich lasse mir absichtlich viel Zeit, obwohl es albern ist.
    »Komm mit.« Er schubst mich vor sich her, zurück in den Hohlraum, in dem das Auto steht und auf die Tür zur Höhle zu. Alles in mir sträubt sich dagegen, wieder dort hinein zu gehen. Dort gibt es kein natürliches Licht, keine Geräusche, keine Gerüche. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit, als ihm zu gehorchen. Ich möchte nicht geschlagen oder sogar getötet werden.
    Er öffnet die Tür und wir treten ein. Als sie sich mit einem Zischen hinter uns schließt, spüre ich einen Stich im Herzen. Als hätte mir jemand ein Stück heraus gerissen. Es fühlt sich an, als müsste ich erneut mein altes Leben hinter mir lassen. So endgültig und unwiderruflich.
    Während wir den langen Flur entlanggehen, hält mir mein Entführer einen hellbraunen quaderförmigen Gegenstand vor die Nase, der mir seltsam bekannt vorkommt.
    »Iss.«
    Zögerlich greife ich danach. Er fällt mir beinahe wieder aus der Hand, weil ich so sehr zittere. Ich habe so etwas schon einmal gesehen, in Cades Auto. Es ist essbar.
    Obwohl ich Hunger habe, muss ich mich überwinden, hineinzubeißen, zu kauen und zu schlucken. Ich esse nicht gerne, während ich gehe, und schon gar nicht auf Befehl, wenn Angst mir den Appetit nimmt. Doch ich fürchte, er könnte mich betrafen, wenn ich nicht gehorche.
    Wir gehen an vielen Metalltüren vorbei. Hinter einer ist Neal, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, hinter welcher. Hier sieht alles gleich aus.
    Mein Begleiter, der ebenso seltsam gefärbte Augen hat wie Cade, bleibt abrupt stehen, packt mich wieder am Oberarm und öffnet eine der vielen gleichförmigen Türen. Ich fühle mich einer Ohnmacht nahe, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Ich muss dagegen ankämpfen, das Gebäckstück nicht wieder hervorzuwürgen.
    Ohne Rücksicht auf meinen Zustand schleift er mich in den dahinterliegenden Raum. Dort fällt mein Blick als erstes auf den Kerl mit dem Radikalhaarschnitt, den ich zuvor schon auf der Sitzbank gesehen habe. Sein Gesicht ist nicht freundlich, zwischen seine Augenbrauen gräbt sich eine tiefe Falte.
    »Hier ist sie, Layton«, sagt der Kerl neben mir. »Gewaschen und genährt.«
    Layton nickt. »Du kannst jetzt gehen, Gavin. Ich komme allein mit ihr klar.«
    Der Angesprochene dreht sich ohne ein weiteres Wort um und verschwindet wieder. Jetzt bin ich mit dem düsteren Layton allein. Er macht mir noch mehr Angst als Cade oder Gavin.
    Ich stehe zitternd mitten im Raum. Erst jetzt wage ich, meinen Blick zur Seite zucken zu lassen. Der Boden ist weiß und glatt, ebenso die Wände. Sie glänzen so stark, dass ich mich darin spiegeln kann. Ich erschrecke vor mir selbst. Blass, dünn und mit eingefallenen Wangen. Ich wende den Kopf ab.
    Der Raum erinnert mich an die medizinische Station der Obersten. Es riecht nach Desinfektionsmittel. In der Mitte stehen zwei Untersuchungsstühle, die aussehen wie die Dinger, die der Zahnarzt benutzt, wenn er einmal im Jahr in meine Stadt kommt. Daneben steht ein Rollwagen, etwa hüfthoch und einen halben Meter breit. Darauf thront eine mächtige Apparatur, von der ich zwar nicht weiß, welchem Zweck sie dient, die mich aber ebenfalls an das Gerät eines Arztes erinnert. Zahlreiche Lämpchen blinken, es gibt mehrere Kippschalter. Kabel ragen daraus hervor, mindestens fünf oder sechs. Sie sind schwarz und lang und hängen ordentlich aufgewickelt über einem Metallhaken an der Seite des Geräts.
    An einer Wand steht ein über drei Yards hoher Schrank, dessen Flügeltüren jedoch geschlossen sind. Er ist weiß. Von der Decke verströmen die üblichen grellen Neonröhren ein ungemütliches Licht. Ich identifiziere den Raum als Labor, zumindest stelle ich mir so eines vor. In den Büchern der Obersten wird von Laboren in der Zentrale berichtet, aber die Artikel waren nicht

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