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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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er meine Gedanken gelesen. Ich merke, wie ich rot anlaufe. »Zumindest ist das bei den Menschen, die wir an die Maschine angeschlossen haben, immer so gewesen. Diejenigen, von denen wir direkt nehmen, sind sofort tot. Ich bin jedenfalls froh, dass du weder hysterisch kreischst noch um dich schlägst. Hat alles seine Vorteile.«
    »Ich hätte auch nicht gekreischt, wenn du meine Gefühle nicht angezapft hättest.«
    Unsere Blicke treffen sich, und wieder lächelt Cade, diesmal etwas spitzbübisch. Seine Augen sind unfassbar schön und leuchtend. Wenn er mich nicht böse ansieht, gefallen sie mir sogar noch besser. Er hat eine Ausstrahlung, die fast mit Händen zu greifen ist.
    »Wo sind wir hier?«, frage ich.
    »Ein Vorort von Jersey City. Wir sind von Weehawken aus nach Süden gefahren. Aber weit ist es nicht zurück bis in deine Stadt, die im Übrigen New York heißt. Keine Ahnung, ob du das überhaupt wusstest.«
    Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
    »Weshalb willst du wissen, wo wir sind, wenn du mit den Angaben ohnehin nichts anfangen kannst?« Jetzt grinst Cade wieder schief, wie ich es auch früher schon bei ihm gesehen habe.
    »Ich kann doch nichts dafür. Ich habe bis vor wenigen Tagen geglaubt, außerhalb meiner Stadt - New York - gäbe es nichts mehr außer der Zentrale der Obersten.«
    Cade stößt die Luft pfeifend durch die Zähne aus. »Und selbst die befindet sich noch in New York, in Brooklyn. Du kommst aus Manhattan, das ist nur ein Stadtteil. Die Welt ist sogar noch größer, als ich es mir vorstellen kann. Ich lebe zwar schon sehr lange, aber alles gesehen habe ich dennoch nicht. Und seit dem großen Krieg ist es ja auch gar nicht mehr möglich.«
    »Krieg? Ich weiß von einem Erdbeben und einer Seuche, die meine Stadt verwüstet haben, weshalb jetzt fast alle Häuser leer stehen. Was ist Krieg?«
    »Das würde zu weit führen, dir alles zu erklären. Es stimmt, es hat eine Seuche gegeben, aber die haben deine ach so verehrten Obersten über die Menschheit gebracht, weil sie durch unser Acraiblut unempfindlich für Bio- und Chemiewaffen geworden sind. Auch Radioaktivität kann ihnen nichts mehr anhaben.«
    Mir schwirrt der Kopf. Ich verstehe kein Wort. Und allmählich wird mir auch wieder schwindlig.
    »Ich habe Hunger und Durst«, sage ich. Ich möchte nicht wehleidig klingen, aber es ist die Wahrheit. Ich bin kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Cade steht auf, geht um den Wagen herum und öffnet eine Klappe an dessen Hinterseite. Er nimmt etwas heraus, das er mir in den Schoß wirft. Eine von den Flaschen mit dem roten Schraubverschluss, die ich schon kennengelernt habe, sowie zwei Karotten. Karotten? Wo hat er die her? Ich kenne das Gemüse, denn bei den Mahlzeiten im großen Park meiner Stadt hat es manchmal auch Karotten zu essen gegeben.
    »Woher hast du das?«, frage ich, während ich mir die Flasche an den Mund führe und kaltes Wasser meine Kehle hinab rinnt.
    »Wir sind an einem Gemüsefeld vorbeigekommen, als wir hierher gefahren sind. Es war unbewacht. Ich habe mir schon gedacht, dass du Hunger haben wirst, wenn du aufwachst.«
    »Ein Gemüsefeld?«
    »Irgendwo muss das Zeug schließlich wachsen. Oder hast du geglaubt, die V23er - Oberste, wie du sie nennst - werfen ihren 3D-Drucker an und drucken euch ein paar Karotten aus?« Er lacht, aber mir ist überhaupt nicht danach zumute. Er macht sich über mich lustig, obwohl er genau weiß, dass ich nichts für meine Unwissenheit kann.
    »Und das Wasser?«
    »Es gibt einen noch intakten Brunnen in der Nähe. Du kannst dir nicht vorstellen, wie zuwider mir Wasser ist. Es war eine Überwindung, welches herauszuschöpfen.«
    »Die Obersten haben dich mit Wasser übergossen, als sie uns angegriffen haben.« Ich beiße beherzt in die Karotte. Sie ist frisch und knackig.
    Cade lässt sich wieder neben mich auf die Bordsteinkante sinken. »Ja, weil sie wissen, dass Acrai mit Schmerzen darauf reagieren.« Er reibt sich mit der Handfläche über das Gesicht. Die andere Hand ballt er zu einer Faust. »Das hätte alles nicht passieren müssen! Passieren
dürfen
. Wir hätten nicht umkehren und deinen Freund holen dürfen. Ich hätte dich an Ort und Stelle töten sollen, wie Layton es gesagt hat.«
    Mir fährt ein Schreck in die Glieder. Jemanden davon sprechen zu hören, dass derjenige es bereut, einen
nicht
getötet zu haben, ist ein beängstigendes Gefühl.
    »Weshalb hast du es dann nicht getan?« Möchte ich die Antwort

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