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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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erheben und mich abzuwenden, als kümmerte mich sein Verbleib nicht.
    »Ich kann dir vielleicht helfen.« Eine dumme Antwort. Im selben Moment, wie ich es sage, würde ich mir am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen.
    Cades Mund verzieht sich zu einem schiefen Grinsen, das ich nicht deuten kann.
    »Hilf dir lieber selbst, indem zu fliehst.«
    »Sie sind weg. Hier ist niemand mehr außer uns. Wohin soll ich denn gehen?« Ich erwische mich dabei, wie ich wieder auf seine Wunde sehe. Inzwischen hat sich der Riss geschlossen, eine verdickte rote Narbe wölbt sich nach außen. Ich kann es immer noch nicht begreifen.
    Cade verfolgt meinen Blick. »Du siehst, ich werde überleben und auch allein klarkommen.« Doch das schmerzerfüllte Stöhnen, das er direkt im Anschluss an diesen Satz erklingen lässt, straft seine Worte Lügen.
    »Fehlt dir sonst noch etwas?« Ich bin ehrlich besorgt, obwohl mein Verstand mir sagt, dass er mir hätte egal sein müssen. Immerhin wollte er mich töten.
    »Nahrungsmangel. Die Heilung zerrt an mir.«
    Ich weiche unwillkürlich einen Zoll weit zurück, denn inzwischen weiß ich in etwa, was er damit meint. Die Maschine, die bei mir so kläglich versagt hat, hat etwas mit seiner Nahrung zu tun. Er hat davon gesprochen, Menschen auch ohne die Maschine als Nahrungsspender benutzen zu können. Vielleicht sollte ich seinem Rat folgen und fliehen.
    »In deinem Gehirn arbeitet es«, sagt Cade und lächelt mich schief an. »Das sehe ich genau. Aber hab keine Angst, ich sauge dich nicht aus. Ich habe die feste Absicht, auch ohne dich zu überleben.«
    Obwohl er das sagt, greift er trotzdem blitzschnell nach meinem Handgelenk und zieht mich nach vorne, sodass mein Kopf auf seine Brust fällt. Ich habe nicht damit gerechnet und im ersten Moment keine Gegenwehr geleistet. Er legt seine Finger auf mein Genick und presst mich an sich. Ich will ihn von mir stoßen, kann mich aber nicht herauswinden.
    Cade lacht jäh auf und lässt mich los. Von dem Schwung, den ich durch das Gegenhalten seines Drucks ausgeübt habe, falle ich nach hinten auf mein Hinterteil. Ich starre ihn gebannt an, kann mich vor Schreck gar nicht bewegen.
    »Das habe ich mir fast schon gedacht«, sagt er schließlich. Er presst sie Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander und kneift die Augen zusammen, als würde ihn erneut eine Schmerzattacke schütteln.
    »Was hast du dir gedacht?«
    »Selbst, wenn ich es wollte, es ginge nicht. Man kann dich nicht als Spender benutzen. Weder mit Maschine noch ohne.«
    Ich setze mich wieder auf die Knie und rutsche ein Stück näher zu ihm heran. Ich empfinde plötzlich keine Angst mehr. Es ist, als wäre Cade meine einzige Verbindung, die ich zu dieser Welt noch habe. Niemand außer ihm ist in der Nähe, ich bin an einem Ort, von wo aus ich nie allein zurück in die Stadt finden würde. Er ist alles, was mir in einer völlig fremden Umgebung noch geblieben ist.
    »Kannst du mir bitte mal erklären, was genau du meinst, wenn du von Nahrung sprichst?«
    Cade verdreht die Augen. »Nun gut, es ist ohnehin einerlei. Ich sage dir ehrlich, dass ich wenig Hoffnung habe, ohne Nahrung zur Sippe zurückkehren zu können. Ich muss dringend einen Spender auftreiben, und du scheidest wohl aus.« Er spricht nicht weiter, sondern untersucht wieder seine inzwischen verheilte Wunde am Arm.
    »Du hast mir meine Frage nicht beantwortet.«
    Er verdreht die Augen. »Es sind Emotionen, menschliche Regungen, die ich als Energie benötige. Das menschliche Gehirn feuert in Momenten emotionaler Regung Impulse ab, die mein Körper abfängt und zu einem Antrieb verarbeitet. Ich weiß selbst nicht genau, wie das vonstatten geht. Ich bin schließlich kein Wissenschaftler.«
    »Du nennst dich Acrai. Ist das eine Völkerbezeichnung?«
    »Gegenfrage: Ist das ein Verhör?« Die Schärfe in seiner Stimme treibt mir das Blut in den Kopf. Ich wende den Blick ab.
    »Lass mich einfach hier sitzen und sterben. Ich will mir nichts vormachen. Es gibt keine menschliche Siedlung weit und breit, folglich auch keine Nahrung. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich noch Auto fahren kann.« Er hebt den Kopf und sieht mich mit seinen orangebraunen Augen resigniert an. »Geh und stirb auf die Weise, die dir am erträglichsten erscheint. Auch du wirst hier keine großen Überlebenschancen haben. Oder kannst du Autofahren?«
    Ich schüttele den Kopf. »Ich könnte es lernen.«
    »Besser nicht. Bevor ich dir meinen Autoschlüssel gebe,

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