Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
der Frage begeistert, aber Willow fühlte sich betrogen, immerhin hatten sie in der Schule die ganze Woche lang über nichts anderes diskutiert. Außerdem kannte sie das Buch noch aus der siebten Klasse. Mr. Vance wollte es dennoch behandeln, weil er das Thema so »ergiebig« fand.
Erst Stunden später, als sie schon im Bett lag und an Cole denken musste und nicht einschlafen konnte, bemerkte Willow, dass Bethany die Frage nach dem Anrufer nicht beantwortet hatte.
Sie träumte, Cole riefe sie an, um sich zu entschuldigen, weil er sie im Stich gelassen hatte. Er liebe sie und könne es gar nicht erwarten, sie wiederzusehen. Als Willow aufwachte und merkte, dass sie nur geträumt hatte, konnte sie die Enttäuschung kaum ertragen.
ACHTUNDZWANZIG
E hrlich gesagt dachte ich nach unserer letzten Sitzung nicht, dass Sie noch einmal wiederkommen würden.«
Dr. Dahls Hemd war so knitterfrei wie immer, und an diesem Nachmittag sah er besonders taufrisch aus, so als käme er gerade vom Sport. Neben ihm stand eine geöffnete, halb leere Wasserflasche auf dem Tisch.
Jones wand sich.
»Na ja, ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher.«
Der Doktor warf ihm einen unschuldigen, erwartungsvollen Blick zu. Er wirkte optimistisch. Vielleicht sogar ein wenig selbstzufrieden? Nein, das war es nicht, dennoch ärgerte Jones sich über die Miene des Mannes.
»Was tun wir dann hier?«, fragte Dr. Dahl.
Jones wollte erklären, dass es nur an Maggie lag, dass er fürchtete, seine Ehe aufs Spiel zu setzen, wenn er nicht regelmäßig zur Therapie ging. Obwohl das teilweise stimmte, war es nicht die ganze Wahrheit.
»Sie hatten recht«, sagte er, obwohl es ihn alle Überwindung kostete. Er räusperte sich. »Ich habe mich nicht geöffnet. Ich fürchte mich vor der nächsten Lebensphase.«
Der Therapeut nickte verständnisvoll, woraufhin Jones am liebsten sofort das Zimmer verlassen hätte.
»Was glauben Sie, wovor Sie sich fürchten?«
Man konnte den Mann einfach nur mögen. Er kam direkt auf den Punkt. Kein Vorspiel. Jones’ Kopfschmerz setzte ein.
»Tja, ich habe wohl befürchtet, es würde keine neue Phase geben«, sagte er schließlich. »Dass ich für wer weiß wie viele Jahre zu Hause herumsitze, mich zu sinnlosen Kursen anmelde oder Rasen mähe. Hin und wieder würden wir eine Reise unternehmen, Kreuzfahrten machen. Wissen Sie, ich habe gefürchtet, alles wäre vorbei, und mir bliebe nichts übrig, als die letzten Jahre untätig herumzusitzen und auf das Ende zu warten. Ich spiele nicht einmal Golf!«
»Aber Sie sind noch jung. Viele ehemalige Polizisten ziehen sich früh aus dem Beruf zurück und fangen etwas Neues an.«
»Ich fühle mich nicht immer jung«, sagte Jones. »Jedenfalls hat sich das Blatt in den vergangenen Tagen gewendet.«
Er erzählte dem Therapeuten von den Fällen, die er recherchierte, und von Maggies Vorschlag, sich selbstständig zu machen.
»Und Sie freuen sich darüber, dieselbe Arbeit wiederaufzunehmen? Befriedigt Sie das?«
»Ja. Am Anfang ging ich nur in den Polizeidienst, um mich selbst zu bestrafen«, sagte Jones. »Ich wollte einen alten Fehler ausbügeln.«
»Und hat sich Ihr Motiv geändert?«
»Ja.«
»Was ist heute Ihr Antrieb?«
Jones hielt kurz inne. Er brauchte nicht lange nachzudenken. Alles erschien ihm glasklar.
»Wissen Sie, ich glaube, ich fühle mich erst so richtig wohl, wenn ich anderen helfen kann.«
Jones rechnete damit, vom Doktor für seine Selbstlosigkeit gelobt zu werden. Aber Dr. Dahl schwieg. Er dachte einen Moment über Jones’ Worte nach.
Schließlich sagte er:
»Das ist in Ordnung, Jones. Zumindest so lange, wie Sie die Probleme der anderen nicht benutzen, um sich vor sich selbst zu verstecken. Wir wissen beide, dass Sie es lange Zeit so gehalten haben. Erst mit Ihrer Mutter, später dann im Beruf.«
Was war mit diesen Leuten los? Lernten sie diese Sätze auswendig? Maggie hatte beinahe dieselben Worte benutzt. Jones antwortete nicht, sondern gab stattdessen jene zustimmenden Laute von sich, die der Therapeut sonst machte.
»Mehr dazu beim nächsten Mal«, sagte Dr. Dahl, »unsere Zeit ist um.«
Das war noch so eine Sache, die Jones störte. Wenn die Zeit abgelaufen war, wurde man vor die Tür gesetzt. Kaum dass man sich eingerichtet und die passenden Worte gefunden hatte, wurde man schon wieder hinauskomplimentiert.
Er setzte sich in sein Auto und schaltete in Erwartung neuer Nachrichten das Handy ein. Aber niemand hatte sich gemeldet. Keine Nachricht
Weitere Kostenlose Bücher