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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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verengten sich zu zwei Schlitzen. »Ihr seid ja solche Weicheier!«
    Im selben Augenblick zog sie sich die Kapuze über den Kopf und sprang aus dem Auto. Willow sah das Licht ihrer Taschenlampe in der Dunkelheit tanzen, als sie davonstapfte.
    »Sie ist verrückt«, sagte Willow und kurbelte das Fenster herunter. »Jolie!«, schrie sie, »das ist doch bescheuert! Komm zurück!«
    »Fickt euch!« Im Regen klang Jolies Stimme fern und schwach, wie die eines Kindes. Sie war kaum zu hören. Willow kurbelte die Scheibe wieder hoch, und der Lichtkegel verschwand zwischen den Bäumen.
    »Komm, wir fangen sie ein«, sagte sie und setzte sich die Kapuze auf.
    »Warte«, sagte Cole, »die kommt gleich zurück. Glaub mir.«
    Willow schwieg, starrte in die Nacht hinaus und flehte, Jolie möge wieder auftauchen. Denn andernfalls würde Willow sich auf die Suche nach ihr machen müssen. Sie konnten Jolie hier draußen nicht allein lassen, das wusste auch Jolie.
    »Tut mir leid«, sagte Cole nach einer Weile.
    »Was?« Er hatte sich umgedreht und sah sie über die Lehne hinweg an. Willow versuchte, nicht zu glotzen. Diese dichten Wimpern, seine hübschen, vollen Lippen.
    »Dass ich nicht gekommen bin«, sagte er. »Ich wollte ja, aber …« Er hielt inne, stieß einen Seufzer aus und starrte auf seine Hände.
    »Aber?«
    Willow glaubte zu träumen. Wie sie hier allein mit ihm im Auto saß, wie der Regen aufs Dach klopfte – es war, als hätte sie sich die Szene ausgedacht.
    »Ich habe dich angelogen«, sagte er. »Was meine Mom angeht.«
    Willow wusste das längst. Sie hatte es sich sofort gedacht.
    »Sie ist gar nicht im Irak?«
    »Nein«, sagte Cole. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Mein Dad sagt, sie wohnt mit einem Typen zusammen und will mich für eine Weile nicht sehen. Ich soll meinen Schulabschluss hier machen und bei meinem Vater wohnen bleiben.«
    »Das tut mir leid.« Es tat ihr wirklich leid; sie konnte sich nur zu gut daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte, als Richard mit dieser Stripperin zusammengezogen war, auch wenn er und ihre Mutter längst geschieden waren. Sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn Bethany und Mr. Ivy sich amüsierten. Es fühlte sich wie ein Verrat an. Es tat weh, und Willow wusste nicht, wo ihr Platz in der Familie, in der Welt war. Sie streckte die Hand aus, und Cole griff danach. Willow spürte, wie die Hitze in ihr aufstieg.
    »Und jetzt sind plötzlich meine Stiefmutter und meine beiden Halbgeschwister auch verschwunden. Ich glaube, Paula hat meinen Dad verlassen. Er behauptet, sie hätte ihn angegriffen und sich mit den Kindern abgesetzt.« Cole ließ sich gegen die Fahrertür sinken.
    »Und?«
    »Aber sie ist so nett, so eine gute Mutter«, sagte er, »ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie jemanden verletzt haben soll.«
    Die Kopfstütze verdeckte Coles Gesicht zur Hälfte. Willow kletterte über die Mittelkonsole nach vorn und ließ sich auf Jolies Platz nieder.
    »Du glaubst, er hat dich angelogen?«
    Cole schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht, keine Ahnung. Aber wenn er gelogen hat, hat er über meine Mom ebenfalls die Unwahrheit gesagt.«
    »Kannst du sie nicht anrufen?«
    »Der Anschluss wurde gekappt. Sie hat ihren Job verloren. Sie reagiert auf meine E-Mails nicht.«
    Willow musste an ihre eigene Mutter denken und dass es an der Zeit war, nach Hause zu fahren. Im selben Moment sah sie, dass Cole weinte. Eine Träne lief ihm über die Wange. Er wischte sie hastig weg. Willow streckte die Arme aus, und Cole ließ sich bereitwillig umarmen.
    »Ist schon gut«, sagte sie, auch wenn sie selbst nicht daran glaubte. Alles an Cole fühlte sich gut an – seine Arme, sein Gesicht an ihrem Hals, sein Haar unter ihren Fingerspitzen. »Wo ist dein Dad jetzt?«
    Plötzlich machte Cole sich los und starrte ins Dunkel.
    »Hast du das gehört?«
    Mit klopfendem Herzen lauschte Willow in den Regen hinaus. Dann hörte sie es auch – jemand schrie, leise und weit entfernt. Oder doch nicht? Sie stiegen gleichzeitig aus dem Wagen und stellten sich im strömenden Regen nebeneinander. Sie schauten zum Wald hinüber, hörten aber nichts mehr. Nur Dunkelheit und Regen, so weit das Auge reichte. Vielleicht hatten sie es sich nur eingebildet. Willow wusste trotzdem, dass sie ihre Freundin nicht im Stich lassen durfte.
    »Komm, wir gehen ihr nach«, sagte sie.
    »Okay.«
    Coles schwache Taschenlampe war ihre einzige Lichtquelle.
    Michael hörte Geschrei. Eine wütende Frauenstimme hallte durch

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