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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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sagen.«
    »Nein«, sagte Eloise viel zu hastig. Sie wusste, dass sie wie eine Verrückte klang oder wie eine, die etwas zu verbergen hatte. Am Ende stimmte beides?
    »Okay.«
    »Ich hatte eine Vision.« Eloise zitterte am ganzen Leib. Das Zittern hatte selbst ihre Stimme erfasst. Sie klang, als wäre ihr kalt. Das Adrenalin überschwemmte ihre Blutbahn.
    »Eine Vision.« Zum ersten Mal hörte sie diesen gewissen Unterton – Ungläubigkeit gepaart mit Gereiztheit und einer Spur Hoffnung. Eloise sollte diesen Ton noch unzählige Male hören.
    »Katie sitzt in einem Brunnen. Sie ist hineingefallen. Ihr ist kalt, und ihr Körper ist ausgetrocknet. Sie wird die Nacht nicht überleben. Sie ist nicht weit von zu Hause entfernt. Ich bitte Sie nicht, mir zu glauben, ich bitte Sie nur, nachzusehen.«
    »Okay.«
    »Sie trägt eine Jeans und Turnschuhe.« Während der Vision hatte Eloise nicht darauf geachtet. Sie wusste selbst nicht, was sie da redete. »Und ein T-Shirt mit langen Ärmeln mit dem Aufdruck ›Daddy’s Girl‹.« Woher wusste sie das? Sie war überzeugt, dass es so war.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Eloise hörte gedämpftes Tuscheln, Stimmen. Jemand hielt die Hand über die Muschel.
    »Hallo?«, sagte eine Männerstimme. »Hier spricht Detective Jameson. Würden Sie bitte wiederholen, was Sie eben zu der Dame gesagt haben?«
    Eloise wiederholte alles.
    »Sie müssen sich beeilen, bitte«, sagte sie zum Schluss. Sie konnte immer noch seine Stimme hören, als sie auflegte. Sie hatte nichts mehr zu sagen und wollte ihren Namen nicht preisgeben. Sie war zu naiv und wusste nicht, dass man ihre Nummer längst ermittelt hatte, dass die Hotline zu diesem Zweck eingerichtet worden war.
    Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, schüttelte sie sich vor Erleichterung. Erst in diesem Moment wurde ihr klar, unter welcher Anspannung sie gestanden hatte. Als sie den Kopf hob, sah sie Amanda in der Wohnzimmertür stehen.
    »Stimmt das?«, fragte sie. »Das ist dir heute passiert?«
    Amanda setzte sich neben Eloise aufs Sofa. Sie trug das Nachthemd ihrer Schwester. Seit dem Tod ihrer Schwester trug Amanda Emilys Schlafanzüge. Dann fühle ich mich ihr näher. Eloise hatte nichts dagegen. Sie mochte es, wenn Emilys Sachen in Gebrauch waren, es war so, als wäre sie noch am Leben. Eloise hatte Alfies Habseligkeiten nicht angerührt – seinen Rasierer, seine Zahnbürste, die Hausschuhe vor dem Nachttisch. Solange diese Gegenstände im Haus waren, kam es Eloise so vor, als wären Emily und Alfie noch da, hier bei ihnen. Die Gegenstände waren mit ihrer Energie aufgeladen. Obwohl sie an den meisten Tagen tief in ihrem Kummer versank, entlockte der Anblick der Dinge, die Alfie oder Emily gehört hatten, Eloise ein Lächeln.
    »Ja, ich glaube. Ich musste einfach anrufen.«
    Amanda betrachtete ihre Mutter mit dem gewohnten Ernst.
    »Und wenn du dich irrst?«
    »Und wenn nicht?« Dann gab es erst recht Anlass zur Sorge, darüber waren sich beide im Klaren, ohne es aussprechen zu müssen.
    Sie saßen in der dunklen Stille beisammen. Der Fernseher lief mit abgestelltem Ton und erhellte das Wohnzimmer mit zuckenden Bildern. Alfie und Emily hätten sich gar nicht beruhigen können und Eloise alle Einzelheiten aus der Nase gezogen. Sie hätten das Unfassbare nicht einfach so hingenommen. Beide hätten sich skeptisch gezeigt und eine Diskussion vom Zaun gebrochen. Aber Alfie und Emily waren nicht mehr da. Und aus irgendeinem Grund wusste Eloise, wenn sie noch da wären, wäre ihr das nie und nimmer zugestoßen.
    »Das ist ungerecht. Es ist ja so ungerecht! Alles«, sagte Amanda nach einer Weile.
    Eloise wusste nicht, ob Amanda Alfie und Emily meinte oder Eloises Vision, oder dass ein Mädchen in einen Brunnen fiel, ohne dass jemand es bemerkte.
    »Ja, das Leben ist ungerecht. Wir geben trotzdem unser Bestes, oder? Wir haben immer noch uns.«
    »Vorläufig.«
    Amanda war zu intelligent, um sich in Watte packen zu lassen.
    »Für immer«, sagte Eloise dennoch, »wir bleiben für immer zusammen. Alle vier.«
    Sie wusste selbst nicht, ob das stimmte, aber sie sprach es trotzdem aus. Niemand hatte ihnen etwas versprochen. Sicher war ihnen nur die Gegenwart. Eloise beneidete Menschen, die religiös waren und an einen Himmel glaubten, wo man den Seelen der geliebten Verstorbenen wiederbegegnete. Das Leben wäre so viel einfacher, wenn sie einen Glauben, wenn sie eine Erklärung für ihre Tochter hätte.
    In der Nacht schliefen

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