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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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sie zusammen im alten Ehebett, so wie damals nach dem Krankenhausaufenthalt. Zum ersten Mal seit Wochen schlief Eloise gut und wurde nicht wie sonst von bohrenden Schmerzen im Rücken, in der Hüfte oder im Nacken geweckt. Sie brauchte keine Medikamente, um einzuschlafen. Auch Amanda schlief. Keine Albträume, in denen sie den schrecklichen Unfall wieder und wieder durchlebte. Keine von beiden konnte sich erinnern, was passiert war, nachdem Alfie losgefahren war. Keine hatte den Sattelschlepper gesehen, der ihr Auto frontal rammte, weil der Fahrer am Steuer eingeschlafen und in den Gegenverkehr geraten war. Keine von beiden wusste noch, dass ihr Auto sich fünf Mal überschlagen hatte, bevor es an eine alte Eiche gekracht war. Glücklicherweise hatten sie alles vergessen. Nur manchmal, in ihren Träumen, erinnerte Amanda sich.
    Als sie am nächsten Morgen in der Küche saßen und den Fernseher einschalteten, um die Today Show zu sehen, taten beide so, als warteten sie nicht auf eine Meldung über das vermisste Mädchen. Aber sobald der Bildschirm flackernd zum Leben erwacht war, sahen sie die Aufnahmen von Katie, die aus einem Brunnenschacht geborgen worden war und von ihren Eltern in die Arme geschlossen wurde. Eloise spürte eine große Freude, ein Gefühl, von dem sie geglaubt hatte, dass sie es nie wieder empfinden würde. Da drehte Amanda sich zu ihr um:
    »Hat Er sie aus dem Grund zu sich geholt?«
    »Wer? Wen?«
    »Hat Gott Dad und Emily deswegen zu sich geholt?«
    »Amanda …« Eloise war sprachlos.
    »Meinst du nicht auch? Vielleicht sind sie es, die dir die Bilder schicken. Du weißt schon … von der anderen Seite.« Amandas Augen liefen über. »Könnte das sein, Mom?«
    »Ich weiß es nicht, mein Schatz. Ich weiß selbst nicht, was mit mir passiert ist.«
    »Aber es wäre denkbar, oder? Emily wollte immer anderen helfen, weißt du noch? Sie war so ein guter Mensch.«
    »Das stimmt.«
    »Das wäre doch schön, oder?« Und dann verzog Amanda das Gesicht und fing zu weinen an. Eloise stand auf und umarmte sie, und sie weinten gemeinsam, wie sie noch nie zuvor geweint hatten. Es war heilsam, wusch sie von oben bis unten rein. Und noch während sie dort standen, fing das Telefon zu klingeln an. Und seither stand es nicht mehr still.
    Das Ganze war hundert Jahre her, zumindest fühlte es sich so an. Jones Cooper war gegangen, und Eloise saß vor dem Computer und sah sich die jüngsten Vermisstenfälle an. Oliver hockte zufrieden auf ihrem Schoß. Obwohl er sie eigentlich störte – er war so beleibt, dass sie beim Tippen die Ellenbogen anheben musste – hatte sie nicht das Herz, ihn zu verscheuchen. Sie durchsuchte die üblichen Nachrichtenseiten und die Homepage des Nationalen Zentrums für vermisste und missbrauchte Kinder. In den letzten Jahren hatte ihr Amber Alert oft weitergeholfen. Heute aber half nichts den Visionen auf die Sprünge. Eloises Wahrnehmung war und blieb im Hier und Jetzt.
    Oft surfte sie nach besonders intensiven Visionen im Internet, so wie sie gestern eine erlebt hatte, und entdeckte ein bekanntes Gesicht. Eloise hoffte zu erfahren, dass sie sich geirrt hatte und die rennende Frau im Wald nicht Marla Holt war. Trotzdem, sie glaubte es, und Ray glaubte es offenbar auch. Aus irgendeinem Grund sträubte Eloise sich gegen den Gedanken. Sie hatte den Fall ursprünglich abgelehnt und Michael stattdessen geraten, seine Mutter gehen zu lassen, aber er hatte nichts davon hören wollen. Eine unheimliche Macht trieb ihn an. Eloise hatte ein schlechtes Gefühl dabei. Nun scrollte sie die Bildgalerien ab, ohne die Frau wiederzuerkennen.
    Die einschlägigen Webseiten besuchte Eloise täglich. Manchmal passierte es, dass sich dabei eine Vision einstellte oder Eloise etwas hörte, so als könne sie sich per Internet mit der Energie verbinden, der sie ihre Gabe zu verdanken hatte. Manchmal informierte sie die Polizei, nur vorsichtshalber. Inzwischen wollten die Ermittler immer öfter mit ihr zusammenarbeiten. Sie hatte einen guten Ruf. Außerdem war an den übersinnlichen Phänomenen tatsächlich etwas dran; sie gehörten zum Bewusstsein der Gesellschaft. Immer mehr Leute hielten den Gedanken nicht für abwegig und zeigten sich offen und interessiert. Gelegentlich stieß Eloise auf Widerstand oder wurde unhöflich behandelt, aber das kümmerte sie nicht. Sie tat, was sie tun musste.
    Manchmal wurde sie von Menschen angerufen, die von ihr Gutes gehört oder sie im Internet entdeckt hatten. Es kam

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