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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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eine Einkaufstüte ab und faltete die Hände.
    »Und?«
    »Im Ernst, Ray. Was ist los mit dir? Glaubst du, ich hätte dich nicht angerufen?«
    »Dann lass uns anfangen.«
    Eloise seufzte. Sie ahnte, worum er sie bitten würde. Sie hasste das, es war unangenehm und anstrengend. Ehrlich gesagt wusste sie nicht, wie lange sie diese Arbeit noch machen konnte. Ray wollte nichts davon hören, aber Eloise wusste genau, dass ihre Zeit fast abgelaufen war.
    »Was hast du mitgebracht?«
    »Schuhe.«
    Schuhe waren ganz ausgezeichnet. Der Körper war über die Fußsohlen mit der Erde verbunden, an dieser Stelle herrschte der stärkste Energiefluss.
    »Du hättest das Haus sehen sollen«, sagte Ray. »Holts Vater war ein Messie. Ganz schön erschreckend.«
    »Und dort wurden ihre Schuhe gefunden?«
    »Ja, der Alte hat nichts weggeworfen.«
    »Du weißt, dass die Polizei von The Hollows Jones Cooper beauftragt hat, den Fall zu prüfen?«
    Ray runzelte die Stirn.
    »Nein, davon weiß ich nichts.«
    »Er hat es mir heute erzählt. Ich dachte, danach würde er dir einen Besuch abstatten.«
    »Warum war er hier?«
    »Er hatte sich daran erinnert, dass ich früher bei ihr geputzt und manchmal auf die Kinder aufgepasst habe. Er wollte wissen, wie mein Eindruck von der Familie war.« Das stimmte so nicht. Sie hatte keine Lust, die ganze Unterhaltung zu schildern. Sie wollte Ray nicht sagen, dass sie Jones in ihre Vision eingeweiht hatte. Warum, wusste sie selbst nicht.
    Ray schwieg und starrte an die Zimmerdecke. Sie betrachtete die Tüte, die er auf ihren Schreibtisch gestellt hatte.
    »Wir wissen nicht, ob ich gestern in meiner Vision Marla Holt gesehen habe«, sagte Eloise. »Das hätte sonstwer sein können. Ich war eben noch online, um mich zu informieren. Möglicherweise handelt es sich um eine andere Frau.«
    »Und, hast du was gefunden?«
    »Nein«, musste sie zugeben.
    Das lodernde Feuer von gestern hatte sich zu einer schwachen Glut abgekühlt; er schien ebenso müde wie sie zu sein. In letzter Zeit sah er nicht gut aus. Vor zwei Jahren hatte ihn seine Frau verlassen. Seine beiden Kinder lebten in Manhattan und hatten kaum noch Zeit für ihn. So erging es einem, wenn man sich nicht unter die Lebenden begab. Man kam immer zu spät zum Abendessen, und wenn man dann da war, dachte man an etwas anderes. Ray trank zu viel und entwickelte sich zu einem Griesgram, weil er so viele schreckliche Dinge hatte mit ansehen müssen, die er nicht ändern konnte. Seine Frau wollte Golf spielen und auf den Bahamas Urlaub machen. Ray wollte Leichen exhumieren. Wer konnte es der armen Frau verübeln, dass sie sich trennte?
    »Karen hat sich gemeldet«, sagte Ray. Sie konnten die Gedanken des anderen lesen. So war es zwischen ihnen, seit sie ihre Affäre beendet hatten.
    »Ach wirklich?«, sagte Eloise.
    »Sie wird wieder heiraten.«
    Eloise lachte leise.
    »Sie muss verrückt sein.«
    Ray musste ebenfalls lächeln.
    »Sie hat einen Arzt im Ruhestand kennengelernt. Stell dir das mal vor, sie hat ihn bei einem Tanzkurs getroffen!«
    Karen hatte Ray immer gebeten, einen Tanzkurs mit ihr zu besuchen. Er hatte keine Zeit gehabt und, wie er Eloise später gestand, keine Lust.
    »Das tut mir leid«, sagte Eloise.
    Ray hob abwehrend die Hand.
    »Ich freue mich für sie. Sie hat es verdient.«
    Karen hatte ihr Glück tatsächlich verdient. Sie war eine gute Ehefrau gewesen und eine liebevolle Mutter. Sie war schön, sprudelte vor Energie und hatte ein gutes Herz. Aber Ray hatte sie schlecht behandelt, und Eloise übrigens auch. Eloise war sonntags bei den Muldunes zum Essen eingeladen gewesen, und mittwochs hatte sie mit Ray geschlafen. Das war nicht schmutzig oder verrucht, sondern einfach nur traurig und jämmerlich gewesen. Und es war so lange her. Inzwischen waren sie andere Menschen.
    Eloise konnte sehen, dass Ray litt – natürlich litt er. Er hatte eine falsche Lebensentscheidung nach der anderen getroffen, und nun standen die Konsequenzen vor seiner Tür Schlange. Daran ließ sich nichts mehr ändern. Ihm blieb nur, die Tür zu öffnen und alles anzunehmen – die Einsamkeit, die Reue, eine alles zermürbende Erschöpfung.
    »Also dann, lass uns anfangen«, sagte Eloise. Vielleicht hatte sie Mitleid mit ihm, mehr konnte sie nicht für ihn tun.
    »Bist du sicher?«, fragte er.
    »Ja, ganz sicher.«
    Sie stand auf und ging an Ray vorbei ins Schlafzimmer, wo sie sich auf die quietschende Matratze setzte. Sie streifte die Schuhe ab und streckte sich

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