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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Beobachtung zu halten. Natürlich würde sie ihr nichts davon sagen, denn sie wollte ihrer Tochter keinen Anlass zu Heimlichkeiten geben.
    »Versprochen?«, fragte Willow.
    »Wenn du deine Versprechen hältst und dich in der Schule anstrengst, werde ich meine halten.«
    Willow lächelte. Bethany lächelte zurück. Nichts war besser geeignet als ein hübscher Junge, um einen verstimmten Teenager aufzumuntern. Am Ende stellte sich vielleicht heraus, dass The Hollows doch der richtige Ort für sie war. Willow würde sich einleben und wohlfühlen; sie musste lediglich die schwierige Anfangsphase durchstehen. Und Bethany würde endlich den Roman zu Ende schreiben. Selbst nach einem Tag wie diesem erschien ihr das möglich. Sie schöpfte neue Hoffnung.
    »Mom«, sagte Willow, »du weißt doch, dass ich dich nicht hasse, oder?«
    »Ja, Willow. Das weiß ich.«

SIEBZEHN
    I n der Dämmerung unternahmen Jones und Henry einen Waldspaziergang. Nachdem alle das Feld geräumt hatten, war Jones auf die Idee gekommen, und Henry hatte sich angeschlossen.
    »Es kann nicht schaden, einmal einen Blick in das Wäldchen hinter der Schule zu werfen«, hatte Jones gesagt.
    Während sie immer tiefer in den Wald eindrangen und sich der Stelle näherten, die Willow Graves beschrieben hatte, spürte Jones ein leises, aber nicht zu ignorierendes Unwohlsein. Wie er schon zu Eloise gesagt hatte, hielt er nicht viel von Zufällen. Er glaubte nicht daran. Er mochte sie nicht. Deswegen ärgerte er sich über die Begegnung auf dem Friedhof, die ihn aus der Balance gebracht hatte. Da war zunächst einmal dieser Junge, Cole Carr. Vor wenigen Stunden noch hatte Jones mit seiner Stiefmutter gesprochen und den Auftrag erhalten, nach der Mutter zu forschen. Dann Michael Holt, den Willow Graves im Wald beim Graben gesehen haben wollte. Die Polizeiakte von Marla Holt lag auf Jones’ Beifahrersitz. Willow Graves war eine Patientin seiner Frau; er hatte das Mädchen und die Mutter, Bethany, schon öfter vor oder nach den Sitzungen gesehen. Dann wiederum war The Hollows eine Kleinstadt, die es in sich hatte. Jones Cooper war nicht abergläubisch, aber er musste zugeben, dass es in The Hollows häufiger zu schicksalhaften Begegnungen kam als anderswo.
    Sowohl Henry als auch Jones waren schon Hunderte Male durch dieses Waldstück gestreift, trotz der ewigen Mahnungen von Eltern und Lehrern, die die Jugendlichen vor den verlassenen Minenschächten und den baufälligen Schuppen in der Gegend warnten. Als Jugendliche waren sie hergekommen, um heimlich zu trinken, zu rauchen und mit Mädchen zu knutschen. Hier traf sich die Jugend, um zu experimentieren, der Autorität zu entkommen, zu träumen. Die Ruhe, das Seufzen der uralten Bäume, die kühle Waldluft und das Licht, das in Streifen durchs Blätterdach fiel, verzauberten den Ort. Urplötzlich fand man sich vor einer verfallenen Scheune oder einem unbewohnten Haus wieder. Und dann waren da natürlich noch die Bergwerkstunnel.
    Es gab keinen Mann in The Hollows, der als Junge nicht in eine dieser höllisch gefährlichen Fallen gerutscht war. Die meisten schafften es unverletzt heraus, aber aus heutiger Perspektive, als Vater und Ex-Polizist, der mindestens zwei Kinder aus den Schächten gerettet hatte, erfüllte Jones der Gedanke an das heimliche Treiben mit Angst. Erwachsene waren scheinheilig: Man wollte den eigenen Kindern verbieten, was man als junger Mensch in völliger Gedankenlosigkeit selbst getan hatte. Er war streng mit Ricky gewesen, viel zu streng, aber nur weil er als junger Mensch selber so viel falsch gemacht hatte. Er hatte für seine Fehler bezahlt, andere hatten sie das Leben gekostet.
    »Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr hier«, sagte Henry. »Irgendwann hört man damit auf, ziellos herumzustreifen, einfach nur draußen an der frischen Luft zu sein.« Jones war ein bisschen außer Atem, aber Henry wirkte euphorisch und leichtfüßig. Jones antwortete nicht, weil er vermeiden wollte, dass Henry seine Kurzatmigkeit bemerkte.
    »Worüber wolltest du mit mir reden, Jones?«
    Jones blieb stehen und gab vor, in die Bäume und in den dämmrigen Himmel zu schauen. Die Luft war feucht und kühl; es roch nach Regen.
    »Ehrlich gesagt«, meinte er, als er wieder Luft bekam, »wollte ich mit dir über Marla Holt sprechen.«
    »Oh«, sagte Henry und runzelte die Stirn. »Warum?«
    »Weißt du noch, wie sie verschwand?«
    »Ja.« Henry kratzte sich am Kopf. »Das ist lange her. Sie hat sich abgesetzt. Sie

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