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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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tiefen Furchen in seinem Gesicht. Weil sie nicht perfekt waren, wusste Eloise, dass es echt war. Keine verschwommenen Visionen, dieses Mal träumte sie nicht. Danach schmiegte sie sich an ihn und musste feststellen, dass sie zum ersten Mal seit Jahren hungrig war.

NEUNZEHN
    D ie Luft im Zimmer roch warm, erdig und süßlich. Das Licht schimmerte in einem warmen Goldton. Auf dem weichen Sofa lagen riesige, kuschelige Kissen, die Willow auf den Schoß nehmen und mit beiden Armen umschlingen konnte. Sobald sie diesen Raum betrat, bewirkten die Einrichtung, Dr. Coopers freundliches Lächeln und das warme Getränk, das sie Willow stets anbot, dass die Anspannung aus ihrem Körper wich. Dieses Zimmer war momentan der einzige Ort, an dem Willow durchatmen konnte.
    Willow hatte ihrer Mutter davon erzählt. Obwohl Bethany sich für sie gefreut hatte, hatte ihre Stimme ein wenig gepresst geklungen. Willow spürte, dass sie ihre Mutter aus irgendeinem Grund verletzt hatte. Sie verstand es nicht. Schließlich hatten ihre Gefühle nichts mit Bethany zu tun. Und da wunderte ihre Mutter sich, dass Willow so wenig von sich erzählte.
    Willow ließ sich aufs Sofa sinken und kämpfte den Impuls nieder, sich zusammenzurollen und einzuschlafen. Hier hatte sie das Gefühl, als müssten alle ihre Fehler draußen vor der Tür warten und dürften nicht hereinkommen, bis sie sich ausgeruht hatte. Eine Stunde lang durfte sie einfach nur sein ; sie konnte endlich einmal ehrlich sein.
    »Wie ich höre, hast du ein paar anstrengende Tage hinter dir?«, fragte Dr. Cooper.
    Sie hatte Willow einen Becher mit heißem Kakao gebracht und im Sessel gegenüber Platz genommen. Wie immer klang ihre Stimme weich und sanft, so als wisse sie alles und verurteile nichts. Was für Willow, die sich von Freunden, Lehrern, ja sogar von ihrer Mutter ständig beurteilt fühlte, vollkommen neu war. Beurteilt und für mangelhaft befunden. Nur hier erging es ihr anders. Nicht, dass Dr. Cooper ihr schlechtes Benehmen durchgehen ließ. Sie hakte nach, wollte wissen, was Willow warum dachte und was sie nächstes Mal besser machen konnte. Manchmal war es anstrengend, genauer unter die Lupe zu nehmen, was sie getan hatte. Willow war häufig wütend und enttäuscht, und manchmal schämte sie sich. Manchmal weinte sie sogar. Aber sie fühlte sich niemals verurteilt.
    »Klar«, sagte sie, »kann sein.«
    »Möchtest du darüber reden?«
    Willow schilderte die vergangenen Tage. Dr. Cooper lauschte auf die ihr eigene Weise, sie nickte und bekundete immer wieder leise ihre Zustimmung. Anders als Willows Mutter unterbrach sie sie nicht mit verwirrenden Fragen (»Wie bist du darauf nur gekommen?«) oder tadelnden Zwischenrufen (»Mein Gott, Willow!«). Und so kam es, dass Willow sich öffnete. Wenn sie weinen musste, stürzte sich Dr. Cooper nicht gleich auf sie, sondern hielt ihr ruhig ein paar Taschentücher hin und sagte ihr, es sei in Ordnung, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.
    »Was war mit dir los, Willow? Ich habe den Eindruck, als wärst du auf der Flucht. Du hast die Schule geschwänzt, bist aus der Bücherei geschlichen, um mit deiner Freundin zum Friedhof zu gehen. Wovor läufst du davon? Und wohin?«
    Willow zuckte die Achseln. So hatte sie die Sache noch nie betrachtet.
    »Ich glaube, ich wollte einfach nur meine Ruhe.«
    »Was bedeutet Ruhe für dich?«
    »Kennen Sie das Gefühl, wenn man einen schweren Rucksack trägt oder die zu enge Jeans kneift? Dieses Gefühl, wenn man den Rucksack absetzt oder die Jeans auszieht, diese Erleichterung. Danach habe ich mich gesehnt.«
    »Ich weiß genau, was du meinst.«
    Im Fenster hing ein Prisma aus Kristall. Die Nachmittagssonne warf einen Regenbogen an die Rückwand des Zimmers. Willow wäre am liebsten aufgestanden und hätte das Prisma angestupst, um den Regenbogen tanzen zu lassen.
    »Als wir über New York gesprochen haben, hast du etwas Ähnliches gesagt«, stellte Dr. Cooper fest. »Du hast gesagt, du wolltest aus deiner Haut steigen und eine andere sein.«
    Dr. Cooper war der erste Mensch, dem Willow die ganze Wahrheit über die Zeit in New York anvertraut hatte. Nur sie wusste von diesem dunklen, bösen, toten Gefühl, das Willow manchmal beschlich. Das sie dazu brachte, sich selbst zu hassen.
    »Es ist nicht ganz dasselbe«, fuhr Dr. Cooper fort, »aber es scheint vergleichbar.«
    »Nein«, sagte Willow, »so schlimm ist es nicht.«
    Damals in New York war die Lüge gewachsen und gewachsen. Sie entwickelte ein

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