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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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sich überall Fürchterliches zutragen konnte, am hellichten Tag, im Einkaufszentrum, in einem Bürogebäude, während einer Weihnachtsfeier, zu Hause. Für die meisten Leute war es jedoch bequemer zu glauben, das Böse tobe sich nachts im dunklen Wald aus. Es trat nur an bestimmten Orten auf, und wenn man sich an die Warnungen hielt, konnte man ihm entgehen.
    »Der Wald wurde damals durchkämmt«, sagte Ray.
    »Ja«, sagte Eloise, »Tage nach ihrem Verschwinden.«
    Sie erinnerte sich an den Suchtrupp, der den Wald abgesucht hatte. Da war es schon zu spät gewesen. Eloise hatte sich noch nicht mit ihrer Gabe vertraut gemacht und ignorierte sie. Sie versuchte nicht aktiv, eine Verbindung zu Marla aufzunehmen; sie hatte damals nicht einmal gewusst, dass das möglich war. Damals glaubte sie, die Visionen stellten sich unwillkürlich ein. Außerdem waren sie so unangenehm und verstörend, dass sie den Versuch nicht gewagt hätte.
    »Sie kannte den Täter«, sagte Ray.
    »So ist es fast immer.«
    Eloise streifte die Schuhe ab, die nacheinander mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fielen. Sie wollte sie nicht länger an den Füßen haben. Falls es noch mehr zu sehen gab, war sie heute zu müde dafür.
    »Da war noch jemand?«, fragte Ray. »Ein zweiter Mann?«
    »So habe ich es gesehen.«
    Ray lehnte sich zurück und musterte Eloise.
    »Du glaubst, sie ist tot?«
    »Ja, wahrscheinlich«, erwiderte sie. Sie sah das Ganze pragmatisch, wusste mit taktvollem Getue nichts anzufangen. »Du nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Man kann nie wissen.«
    Es war spät. Eloise wollte schlafen, aber sie wollte auch, dass Ray blieb. Sie stellte sich vor, wie schön es wäre, einzudösen, während er in der Ecke saß und Wache hielt. Der Gedanke überraschte sie, denn sie war das Alleinsein gewöhnt. So als könnte er ihre Gedanken lesen und wisse um ihren Wunsch, kam Oliver hereingeschlichen und sprang schwerfällig neben ihr aufs Bett. Er rollte sich schnurrend neben ihrem Bein zusammen.
    »Weißt du, ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich sie je geliebt habe.« Sie waren wieder bei Karen. Ihre Unterhaltungen sprangen stets hin und her. Sie redeten über Todesangst, wie es war, um sein Leben zu rennen, und dann im nächsten Satz über das Wetter, die Liebe, und ob der Kaffee schmeckte.
    »Ist das nicht traurig?«, fragte er. »Immerhin waren wir zwanzig Jahre verheiratet, wir haben Kinder. Ich mag sie und achte sie. Aber ich weiß nicht, ob ich sie je so geliebt habe, wie du Alfie geliebt hast.«
    Er beugte sich vor, stützte das Kinn auf die Hand und legte die Stirn in Falten. Der Denker.
    » Du musst sie geliebt haben, früher«, sagte Eloise.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, »aber ich weiß noch, wie ich mir eingeredet habe, sie sei die Richtige für mich. Sie war hübsch und lieb. Aber ich glaube, ich hatte keine Vorstellung von der Ehe, als wir vor dem Altar standen.«
    Eloise lächelte und pflichtete ihm mit einem »Hmm« bei.
    »Man wird in ein weißes Kleid gesteckt und kriegt gesagt, es sei für immer. Und dann wird man vom Alltag überrascht. Davon, wie schwer er ist.«
    »Genau«, sagte Ray. »Aber du hättest Alfie nie betrogen, oder?«
    Eloise schüttelte den Kopf.
    »Nie.«
    »Und Marla Holt? Hat sie Mack betrogen?«
    »Vielleicht«, sagte Eloise. »Vielleicht hat sie nach Romantik und Aufregung gesucht. Vielleicht hat sie mehr vom Leben erwartet als zwei Kinder und einen fleißigen Ehemann. Sie spielt die brave Hausfrau, ihre Schönheit verblasst und sie träumt von mehr.«
    »Aber du hast sie gekannt. Du hast ihre Kinder betreut. Hatte sie eine Affäre?«
    Eloise dachte an ihr Gespräch mit Jones Cooper.
    »Nein, das dachte ich nicht. Sie hat ihre Kinder geliebt und über ihren Mann immer nur Gutes geredet. Aber man kann in die Leuten nicht hineinschauen. Ich weiß nicht, wo sie hingegangen ist und mit wem, wenn ich die Kinder betreut habe. Ich habe sie nie gefragt.«
    Wie immer, wenn er angestrengt nachdachte, nagte Ray an der Innenseite seiner Wange.
    »Vielleicht hatte sie ihren Liebhaber zu sich eingeladen, und dann kam Holt zu früh nach Hause. Sie flieht in den Wald. Der andere Mann will ihr helfen, wird aber niedergeschlagen. Dann bringt Holt sie um.«
    »Das ist eine Interpretation. Es wäre denkbar. Aber was ist mit dem Mann? Hat Holt ihn ebenfalls ermordet? Und falls ja: Wo sind die Leichen? Es ist gar nicht so einfach, zwei Tote verschwinden zu lassen, schon gar nicht nach einer

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