Gnade
Service. Als ich auf der Tribüne saß und dir beim Training mit dem Footballteam zugesehen habe, hat er mich angesprochen.«
»Mir ist der Bursche aufgefallen, aber ich habe sein Gesicht nicht gesehen. Er hatte eine Kappe auf dem Kopf. Du sprichst also von dem Typen, auf den ich geschossen habe?«
»Ja.«
»Haben Sie ihn getötet?«, wollte John Paul wissen.
Theos Gedanken rasten. »Nein«, erwiderte er ungehalten, »ich habe ihn verfehlt. Michelle, ich verstehe nicht, warum du mir nicht direkt gesagt hast, dass du einen von den Männern kennst!«
»Wann hätte ich dir das erzählen sollen? Als uns die Kugeln um die Ohren flogen? Oder als wir uns im Sumpf versteckten und keinen Mucks von uns geben durften?«
»Bist du ganz sicher, dass es derselbe Mann war?«
»Ja!«, gab sie entschieden zurück. »Und weißt du, was wirklich komisch ist? Als ich mich im Stadion mit ihm unterhielt, hatte ich das eigenartige Gefühl, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Ich dachte erst, dass er mir vielleicht einmal im Krankenhaus über den Weg gelaufen ist. Dort geben ständig irgendwelche Boten etwas ab.«
»Sind dir die anderen auch bekannt vorgekommen? Der Typ im Boot zum Beispiel?«
»Ich habe sein Gesicht nicht gesehen«, antwortete sie. »Als du den Schuss auf ihn abgegeben hast, ist er ja direkt ins Wasser gesprungen.«
»Haben Sie den denn erwischt?«, fragte John Paul.
»Nein.«
John Paul konnte es nicht fassen. »Warum tragen Sie eine Waffe bei sich, wenn Sie nicht wissen, wie man damit umgeht?«
»Ich weiß, wie man damit umgeht!«, fauchte Theo zurück. »Ich würde mich freuen, es Ihnen einmal demonstrieren zu können.«
»Vielleicht hast du ihn ja angeschossen«, warf Michelle vorsichtig ein.
»Ja, bestimmt«, grunzte John Paul verächtlich. »Wie weit war der Kerl denn entfernt?«
»Wir wurden von zwei Seiten beschossen«, berichtete Michelle. »Und Theo war damit beschäftigt, mich abzuschirmen und gleichzeitig zu schießen.«
John Paul ignorierte ihre Erklärungen. »Warum tragen Sie eigentlich eine Waffe?«, erkundigte er sich.
»Weil ich dazu angehalten wurde. Ich habe Morddrohungen erhalten.«
»Das kann ich verstehen«, sagte John Paul.
»Wollt ihr wohl aufhören, euch anzugiften? Wir haben genügend andere Schwierigkeiten am Hals. Theo, ich habe langsam eine Ahnung, was da vor sich geht. Der Mann beziehungsweise die Männer, die meine Praxis auseinander genommen haben, waren auf der Suche nach dem Umschlag. Der angebliche Bote im Stadion hat behauptet, einer seiner Kollegen habe mir aus Versehen die falsche Sendung gegeben, und er wolle sie nun wiederbeschaffen. Ich habe die Sekretärin in der Klinik angerufen und sie gebeten, das Kuvert zu suchen und ihm auszuhändigen. Dann habe ich ihn zu ihr geschickt, aber nie nachgefragt, ob sie ihm den Umschlag tatsächlich gegeben hat. Elena hat mir gestern den Karton mit der Post gebracht, erinnerst du dich? Als ich gestern Abend die Sachen durchgesehen habe, ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Aber ich vermute, die Männer haben den Umschlag nicht von der Sekretärin bekommen und dachten, ich hätte ihn inzwischen.«
»Und es gibt nur eine Möglichkeit, wie sie erfahren haben können, dass Elena etwas bei dir abgeliefert hat«, stellte John Paul fest.
»Sie haben Michelles Telefon angezapft«, ergänzte Theo. »Verdammt, warum habe ich das nicht überprüft?«
»Ich suche die Wanze«, bot John Paul an.
»Wissen Sie überhaupt, wonach Sie suchen müssen?«
John Paul sah Theo beleidigt an. »Selbstverständlich.«
Theo dachte einen Moment lang nach, dann sagte er: »Wenn Sie die Wanze finden, lassen Sie sie an Ort und Stelle!«
»Warum?«, wollte Michelle wissen.
»Weil sie nicht wissen sollen, dass wir ihnen auf die Schliche gekommen sind. Und vielleicht können wir ihnen auf diese Weise falsche Informationen zuspielen.«
»Erzähl mir, was der Kerl im Stadion genau zu dir gesagt hat«, forderte John Paul seine Schwester auf, und Theo registrierte, dass er ihm gegenüber nicht mehr ganz so feindselig auftrat.
»Er behauptete, es habe bei dem Kurierdienst eine Verwechslung gegeben«, sagte Michelle. »Frank – so hat er sich vorgestellt – sagte, ein anderer Bote namens Eddie habe aus Versehen die Adressaufkleber der Lieferungen vertauscht. Offensichtlich sind sie hinter der Sendung her, die ich fälschlicherweise bekommen habe.«
Theo schüttelte den Kopf. »Und woher willst du wissen, dass es tatsächlich eine Verwechslung
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