Gnade
gab? Das ist nicht sicher. Bevor wir den Umschlag nicht geöffnet haben, gehen wir lieber nicht davon aus, dass es ein Irrläufer war.«
Michelle nickte. »Der Mann, der auf uns geschossen hat, könnte gelogen haben.«
»Menschenskind, Mike, benutz deinen Verstand!«, schimpfte John Paul.
»Mein Kopf tut so weh, John Paul.« Michelle ärgerte sich über sich selbst, weil sie so schwer von Begriff war. Sie seufzte. »Natürlich hat er gelogen.«
»Nicht unbedingt«, wandte Theo ein.
»Du hast gerade selbst gesagt …«, begann sie.
Theo unterbrach sie lächelnd. »Es könnte eine Verwechslung gegeben haben. Wenn wir den Umschlag finden, werden wir es wissen. Bis dahin …« Er zuckte mit den Achseln.
»Ich verstehe«, entgegnete sie müde.
»Du hast doch mal erwähnt, du hättest das Gefühl, dass dir jemand folgt. Ich glaube, du hattest Recht. Wer auch immer es ist – er ist ziemlich gut.«
»Vielleicht haben sie das Haus beobachtet«, mutmaßte Michelle.
»Was halten Sie von alldem?«, wandte sich John Paul an Theo.
»Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll«, gestand Theo. »Aber wenn wir diesen Umschlag finden, werden wir wissen, worum es eigentlich geht.«
»Du kommst mit zu mir, Mike. Ich beschütze dich.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ich dazu nicht in der Lage bin?«, erkundigte sich Theo aufgebracht.
»Wenn ich schieße, dann treffe ich.«
Theo war abermals drauf und dran, auf John Paul loszugehen, aber Michelle machte dem Streit ein Ende.
»Entschuldigung, Gentlemen«, herrschte sie die beiden an. »Ich kann und werde auf mich selbst aufpassen. John Paul, ich fahre mit Theo jetzt zum Krankenhaus.«
»Mike …«
»Mein Entschluss steht fest.«
»Bei mir wird ihr schon nichts passieren«, versicherte Theo und war erstaunt, dass John Paul keine weiteren Einwände erhob. Er rieb sich die Stirn und fügte hinzu: »Noah ist übrigens in New Orleans. Er erledigt dort ein paar Dinge für mich.«
»Noah ist …«, hob Michelle an, weil sie glaubte, ihren Bruder ins Bild setzen zu müssen.
»Ich weiß, wer er ist. FBI.« John Paul spie die Worte regelrecht aus, ohne seinen Abscheu zu verbergen.
»Und in der Zwischenzeit«, fuhr Theo ungerührt fort, »bleiben Sie in der Nähe Ihres Dads.«
Michelle ließ den Erbsenbeutel vor Schreck auf den Tisch fallen. »Du glaubst, dass sie es auch auf Daddy abgesehen haben?«
»Ich ziehe nur jede Möglichkeit in Betracht, bis ich mir Klarheit verschafft habe und mir vorstellen kann, welche Schritte die Typen als Nächstes unternehmen.«
Theo trank sein Bier aus und stellte die Flasche auf den Tisch. »Wir sollten uns langsam in Bewegung setzen.«
»John Paul, kannst du den Pick-up starten?«, fragte Michelle. »Daddy hat ihn seit über einer Woche nicht benutzt. Er meint, dass irgendetwas mit dem Anlasser nicht in Ordnung ist, und er hatte noch keine Zeit, ihn zu reparieren.«
»Ja, kein Problem.«
Erschöpft erhob sich Michelle. »Dann lasst uns gehen.«
Theo drückte ihr den Möhrenbeutel in die Hand, damit sie ihn zurück in die Kühltruhe legen konnte. Dann stand er auf und testete sein Knie, indem er es vorsichtig belastete. Die Eispackung hatte geholfen. Es tat längst nicht mehr so weh wie zuvor. Michelle drückte die Erbsen noch immer an die Stirn und ging in die Küche.
»Wir müssen aber zuerst zu dir nach Hause«, rief Theo ihr ins Gedächtnis.
»Du meinst, weil Ben dort auf uns wartet? Ich könnte ihn anrufen …«
»Nein«, fiel Theo ihr ins Wort. »Weil ich mein Handy und neue Munition holen muss.« Noch ehe John Paul den Mund aufmachte, ahnte er bereits, was nun kam.
»Wozu brauchen Sie Munition?«
»Ich habe nicht mehr viel dabei.«
»Mir kommt das wie die reinste Verschwendung vor.«
Michelle hatte genug von den Sticheleien ihres Bruders. Sie drehte sich zu Theo um. »Ich weiß, dass du ihn am liebsten erschießen würdest, und mein Bruder kann wirklich eine Nervensäge sein. Aber ich liebe ihn, also verschon ihn bitte!«
Theo zwinkerte ihr zu.
John Paul höhnte: »Ich habe keine Angst.«
»Das solltest du aber«, konterte Michelle.
»Warum?«, gab John Paul zurück. »Wenn er schießt, trifft er ja sowieso nicht.«
32
Während Michelle draußen mit Ben sprach, ging Theo ins Haus. Es war inzwischen sechs Uhr und beinahe hell, und er musste nicht einmal das Licht anschalten. Er streifte die Schuhe an der Tür ab, um den Boden nicht schmutzig zu machen. Dann lief er hinauf, zog sich aus und stellte sich kurz
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