Gnade
zu Elena Miller durchzustellen. Er hörte Papier rascheln, dann erhielt er die Information, dass Elena Miller noch nicht im Dienst sei. Die Telefonistin weigerte sich, Theo Elenas Privatnummer zu geben, erklärte sich aber bereit, dort anzurufen und das Gespräch in den Aufenthaltsraum zu verbinden. Kurz darauf klingelte es, und Elena war am Apparat. Nachdem sich Theo vorgestellt hatte, bat er sie, den Boten zu beschreiben, der am Mittwoch in die Klinik gekommen war, um das Kuvert abzuholen. Außerdem solle sie wiedergeben, was er gesagt hatte.
Elena erzählte Theo nur allzu gern, wie ungehobelt sich dieser Mensch aufgeführt hatte. »Er war so dreist, mich richtiggehend anzuschreien«, empörte sie sich.
Theo machte sich Notizen auf einem Block, der auf dem Schreibtisch lag, und stellte ihr etliche Fragen. Als er fertig war, legte er auf und schlug umgehend in den Gelben Seiten, die er in der untersten Schreibtischschublade fand, die Nummer des Speedy Messenger Service in New Orleans nach. Er wählte die Nummer, und nachdem man ihn dreimal weiterverbunden hatte, landete er endlich beim Geschäftsführer. Der Mann wollte sich zunächst überhaupt nicht äußern, bis Theo drohte, ihm ein paar Polizisten vorbeizuschicken, die die Informationen aus ihm herauskitzeln würden. Mit einem Mal zeigte sich der Geschäftsführer ungeheuer hilfsbereit. Er erklärte, dass alle Lieferungen und Botengänge im Computer gespeichert seien. Er tippte Michelle Renards Namen ein und gab Theo Auskunft, wann und wohin der Umschlag geliefert worden war.
»Ich möchte wissen, wer ihn abgeschickt hat«, sagte Theo.
»Benchley, Tarrance und Paulson«, antwortete der Geschäftsführer. »Laut meiner Aufzeichnungen wurde er am Montag um Viertel nach fünf im Krankenhaus in St. Claire abgegeben. Soll ich Ihnen eine Kopie zusenden?«
»Danke, nicht nötig«, entgegnete Theo.
Nachdem Michelle eilig geduscht und ihr Haar gewaschen hatte, ging es ihr schon viel besser. Sie sah zwar furchtbar aus, aber sie fühlte sich hervorragend, und das war im Augenblick das Wichtigste. Sie zog sich an, kämmte sich die Haare und zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Kamm die empfindliche Stelle am Kopf traf. Sie strich die Strähnen hinter die Ohren und beschloss, sie an der Luft trocknen zu lassen. Michelle verließ das Badezimmer und ging auf Theo zu, der mit dem Rücken zu ihr am Schreibtisch saß. Unterwegs zog sie die Schnur in ihrem Hosenbund zu und band eine Schleife. Theo drehte sich zu ihr um.
»Hast du mit Noah gesprochen?«, wollte sie wissen.
»Noch nicht. Aber ich hatte den Geschäftsführer von Speedy am Apparat. Und jetzt rate mal, was er mir erzählt hat!«
»Es gibt bei denen weder einen Frank noch einen Eddie, stimmt’s? Ich komme mir vor wie eine Idiotin.«
»Richtig, aber wieso kommst du dir vor wie eine Idiotin? Du hattest doch überhaupt keinen Grund, Verdacht zu schöpfen.«
»Theo, ich sage dir, ich habe diesen Mann irgendwo schon mal gesehen. Ich hatte angenommen, dass ich ihm hier in der Klinik begegnet bin, aber das ist offensichtlich nicht der Fall. Also, woher kenne ich ihn bloß?«
»Es wird dir schon noch einfallen«, beruhigte er sie. »Versuch an etwas ganz anderes zu denken, dann kommt die Erinnerung schon zurück. Weißt du, was der Geschäftsführer noch gesagt hat?«
Michelle ging zum Sofa hinüber, setzte sich und beugte sich vor, um ihre Schnürsenkel zuzubinden.
»Verrat’s mir«, forderte sie ihn auf.
»Der Umschlag wurde von Benchley, Tarrance und Paulson abgeschickt.«
»Und an mich adressiert?«
»Ja. Ich habe in dieser Kanzlei angerufen, aber da ist jetzt natürlich noch niemand. Außerdem geben sie bestimmt keinerlei Auskunft am Telefon, deshalb werde ich Noah hinschicken. Oh, und ich habe auch mit Elena Miller telefoniert. Sie hat geschimpft wie ein Rohrspatz.«
Michelle nickte. »Elena schimpft immer über irgendetwas. Was hat sie gesagt?«
»Der Bote war unverschämt und unfreundlich.«
»Das wissen wir bereits.«
»Sie konnte das Kuvert nicht finden, und er hat sie deswegen angeschrien. Und ihr gedroht. Sie war so wütend, dass sie den Kurierdienst anrufen und sich beschweren wollte, aber sie hatte so viel zu tun, dass sie es schließlich vergaß.«
Michelle stand auf und steuerte auf den Schreibtisch zu. Als sie merkte, dass Theo sie aufmerksam musterte, fragte sie: »Was ist los?«
»Mir ist gerade aufgefallen, wie müde du aussiehst.«
»Mir geht’s gut.«
Aber ihr Anblick strafte
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