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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Innerhalb von wenigen Minuten saßen die Betrunkenen auf dem Rücksitz des Streifenwagens und wurden davongefahren.
    Cameron nahm einen großen Schluck von seinem Scotch und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Szene vor seinem Fenster hatte ihm Angst eingejagt, besonders der Anblick der Handschellen. Er würde es nicht aushalten, wenn man ihm welche anlegte. Er wollte niemals ins Gefängnis, eher würde er sich umbringen – falls er den Mut dazu aufbrachte. Er hatte immer schon unter Klaustrophobie gelitten, und im Lauf der Jahre war dieses Leiden schlimmer geworden. Heutzutage konnte er sich nicht mehr in einem fensterlosen Raum aufhalten, ohne dass er einen unerträglichen Druck auf der Brust verspürte. Er benutzte nie einen Aufzug und ging lieber sieben Stockwerke zu Fuß, statt sich dreißig oder vierzig Sekunden lang zwischen anderen Menschen eingezwängt wie eine Sardine in eine metallene Liftkabine zu stellen.
    Warum hatte er bloß nicht an seine Angst gedacht, bevor er sich auf diesen ganzen Irrsinn eingelassen hatte?
    Er kannte die Antwort und war betrunken genug, um sie sich einzugestehen. Habgier, die verfluchte Habgier hatte ihn so weit gebracht. John war die treibende Kraft bei dem Unternehmen, der Planer, der Mann mit den Visionen – und den Verbindungen. Mit der Inbrunst eines Evangelisten hatte er ihnen versprochen, sie alle reich zu machen. Das war ihm zweifellos bereits gelungen. Aber er hatte mit ihnen gespielt wie mit unersättlichen Idioten, die sie ja auch waren. Er hatte genau gewusst, dass sie in Panik geraten würden, wenn er anfing, von Selbstmord zu reden. Sie konnten es sich schließlich nicht leisten, John zu verlieren, und würden alles tun, um ihn bei Laune zu halten. Und genau darauf hatte dieser Bastard gebaut!
    Cameron hatte bereits einen trüben Blick, als er den restlichen Scotch aus der Flasche trank und ins Bett wankte. Am nächsten Morgen – es war ein Sonntag – kämpfte er bis zum Mittag gegen einen schrecklichen Kater. Als er wieder einen klaren Kopf hatte, schmiedete er einen Plan. Er brauchte einen sicheren Beweis für seine Vermutungen, um Preston und Dallas zu überzeugen. Und sobald die beiden begriffen, dass John sie alle manipuliert hatte, würde Cameron fordern, dass sie unverzüglich die Profite des Sowing Clubs aufteilten und fortan getrennte Wege gingen. Er hatte angesichts der neuen Erkenntnisse keine Geduld, noch fünf Jahre auf seinen Anteil zu warten. Nach allem, was John getan hatte, konnte Cameron an nichts anderes mehr denken als daran, sich aus dem Staub zu machen, bevor sie alle aufflogen.
    Cameron selbst hatte ebenfalls ein paar gute Verbindungen, und nach einigen Telefonaten stand sein Plan. Am Freitag würde im Sowing Club abgerechnet, bis dahin blieben ihm noch fünf Tage. Fünf Tage, um den miesen Gauner zu entlarven. Er verriet niemandem, was er vorhatte.
     
    Am Freitag kam er erst spät ins Dooley’s, ungefähr um halb sieben. Er steuerte geradewegs auf ihren Stammtisch zu und setzte sich John direkt gegenüber. Noch bevor Cameron sein Jackett ausziehen und die Krawatte lockern konnte, hatte der Kellner ihn bereits entdeckt und brachte ihm das Übliche.
    »Du siehst furchtbar aus«, stellte Preston in seiner freimütigen Art fest. Er war der Gesundheitsfanatiker in ihrer Gruppe und versäumte keine Gelegenheit zu verkünden, wie wenig ihm Camerons Lebensstil gefiel. Preston hatte die Figur eines Gewichthebers und war vollkommen versessen darauf, an fünf Abenden in der Woche in einem äußerst edlen Fitnessstudio zu trainieren. Seiner Ansicht nach war jeder Mann, der keine stählernen Oberarme hatte und keinen Bauch, von dem eine Münze abprallte, ein Schwächling, und Männer mit Bierbäuchen konnte er nur bedauern.
    »Ich habe in dieser Woche viel gearbeitet. Ich bin müde, das ist alles.«
    »Du solltest auf deine Gesundheit achten, bevor es zu spät ist«, empfahl Preston. »Geh mal mit mir ins Studio, fang mit kleinen Gewichten und dem Laufband an. Und lass die Finger vom Alkohol, um Himmels willen! Deine Leber macht das bestimmt nicht mehr lange mit.«
    »Seit wann hast du eigentlich die Rolle meiner Mutter übernommen?«
    Dallas konnte Streitereien, wie unbedeutend sie auch sein mochten, nicht ertragen. »Preston macht sich einfach Gedanken um dich. Wir beide wissen, dass du in letzter Zeit wegen der Scheidung und allem anderen ziemlich viel Stress hattest. Wir wollen nur nicht, dass du krank wirst. Preston

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