Gnade
brauchen Hilfe, weil Mr. Freeland – er ist der Musiklehrer, aber das wissen Sie wahrscheinlich schon – keinen blassen Schimmer von Football hat. Und, nehmen Sie den Job an?«
»Nein.«
»Warum nicht? Sie haben sich die Schule und das Spielfeld ja noch gar nicht angesehen.«
Theos Geduld war langsam erschöpft. »Ich bin kein Footballtrainer.«
Der Teenager glaubte ihm nicht. »Sie sehen aber so aus, als wären Sie einer. Sie haben Schultern, als hätten Sie mal Football gespielt, als Sie jung waren.«
Als er jung war? Für wie alt hielt ihn der Junge denn? »Hör mal, ich will nur den Weg wissen …«
Der Teenager fiel ihm ins Wort: »Oh, jetzt verstehe ich«, sagte er und nickte energisch.
»Was verstehst du?«, fragte Theo wider besseres Wissen.
»Es ist ein Geheimnis, stimmt’s? Ich meine, bis die Position besetzt ist, darf es noch niemand wissen. Bis der Direktor auf der großen Versammlung in zwei Wochen verkündet, auf wen seine Wahl gefallen ist. Übrigens, Trainer, mein Name ist Jerome Kelly, aber alle nennen mich Kevin, weil das mein zweiter Vorname ist.« Er hielt Theo über der Verkaufstheke die Hand hin. »Es ist echt nett, Sie kennen zu lernen!«
Theo presste kurz die Lippen zusammen. »Ich versuche lediglich, Bowen zu finden. Wirst du mir jetzt sagen, wo es liegt?«
Kevin hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay. Sie brauchen nicht gleich sauer zu werden. Aber es ist doch ein Geheimnis, oder?«
Theo beschloss, dem Jungen zuzustimmen, nur um ihn von dem Thema abzubringen. »Ja, ganz richtig. Es ist ein Geheimnis. Und jetzt sag mir: Wo ist Bowen?«
Kevin grinste von einem Ohr zum anderen. »Sehen Sie das?«, fragte er und deutete auf die Straße vor der Tankstelle.
»Was?«
»Na, diese Straße.«
»Natürlich sehe ich sie!«
Kevin nickte wieder. »Das ist die Elm Street, aber es gibt dort keine einzige Ulme. Ich bin übrigens Kicker.«
»Du bist was?«
»Kicker. Mr. Freeland sagt, ich soll diese Position in der Mannschaft einnehmen. Ich kann einen Football vierzig Meter weit kicken, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«
»Ist das wahr?«
»Ich könnte auch Punt-Returner sein. Ich bin nämlich sehr schnell.«
»Hör zu, Kevin, ich bin nicht der neue Footballtrainer.«
»Ja, ich weiß, und ich werde niemandem etwas sagen, bis es offiziell ist. Sie können auf mich zählen, Trainer.«
»Wo liegt denn nun Bowen?« Mittlerweile klang Theos Stimme ziemlich scharf.
»Das wollte ich ja gerade erklären«, erwiderte der Junge. »Also, wenn Sie auf der Straße Richtung Osten fahren«, begann er und deutete erneut aus dem Fenster, »dann sind Sie in St. Claire. Wenn Sie nicht wissen, wo Osten und wo Westen ist – also ich habe manchmal Schwierigkeiten damit –, dann müssen Sie auf den Gehsteig achten. St. Claire hat einen Gehsteig, Bowen nicht.«
Theo knirschte mit den Zähnen. »Und wo genau liegt nun Bowen?«
»Ich sag’s Ihnen«, versprach Kevin. »Also, wenn Sie die Elm Street überqueren wie beim Spazierengehen …«
Theo hasste diesen Jungen. »Ja?«
»Dann sind Sie da.«
»Wo?«
»Na, in Bowen! Kapiert? Auf der einen Seite der Elm Street liegt St. Claire, auf der anderen Bowen. So einfach ist das. Ich hoffe ehrlich, Sie geben mir eine Chance als Kicker. Ich wäre bestimmt eine Bereicherung für das Team.«
Theo zählte das Geld für das Benzin ab und fragte: »Hast du jemals von einer Bar namens Schwan gehört?«
»Logo«, sagte Kevin. »Jeder hier kennt den Schwan. Es ist ein Haus mit einem großen Schwan auf dem Dach. Sie können es gar nicht verfehlen.«
Diesmal gab Kevin eine etwas leichter verständliche Wegbeschreibung ab als zuvor. Als er damit fertig war, sagte er: »Wissen Sie, die Leute aus St. Claire sehen Bowen gern als ihren Vorort an, aber die Leute aus Bowen scheißen darauf. Oh, Entschuldigung! Ich sollte solche Worte in Gegenwart eines Lehrers besser nicht in den Mund nehmen.«
Theo steckte sein Wechselgeld ein, dankte Kevin für seine Hilfe und ging zurück zu seinem Wagen.
Kevin folgte ihm nach draußen. »Sir, wie ist Ihr Name?«, rief er ihm nach.
»Theo Buchanan.«
»Vergessen Sie’s nicht!«, rief der Junge.
»Was?«
»Dass ich Ihr Kicker bin.«
Theo grinste. »Das vergesse ich sicher nicht.«
Kevin wartete, bis der Wagen auf die Elm Street bog, dann rannte er zurück ins Tankstellenhäuschen, um seine Freunde anzurufen. Er wollte der Erste sein, der die geheime Nachricht über den neuen Trainer verbreitete.
Zehn Minuten
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